Vor 50 Jahren in Peine: Mit kleinem Geschenk beginnt große Leidenschaft

Der Peiner Adolf Wissel sammelt Zinnfiguren, mit denen er gern ganze Szenerien nachbaut. In der Vergangenheit hat er mehrfach Ausstellungen bestückt, unter anderem war 2007 eine solche unter dem Motto „Das Peiner Leben in Zinn gegossen“ im Kreishaus zu sehen. Für die PAZ erinnert er sich an den Beginn seiner Leidenschaft für die kleinen Kunstwerke, die fast auf den Tag genau 50 Jahre zurückliegt. „Es war der 20. Dezember 1970. Ich hatte es mir gerade im Wohnzimmer gemütlich gemacht, als meine Frau aufgelöst von ihrem Abenddienst nach Hause kam“, blickt er zurück. Sie sei zu jener Zeit Gemeindeschwester gewesen und habe an jenem Tag eine ihrer Patientinnen besucht, die nicht weiter wusste. Ein Maler hat eine alte Dame hängen gelassen, Wissel sprang ein: „Die Frau war schon über 80 Jahre alt. Sie wollte ihr Wohnzimmer tapezieren und hatte sich dafür einen Maler besorgt“, berichtet Wissel. Der Maler hatte von einer Peiner Firma Tapeten, Farbe und Kleister besorgt, dieses bei der alten Dame vorbei gebracht und ihr auch beim Ausräumen des Wohnzimmers geholfen. Für das Ausräumen und die Auslage der Materialien habe er sich schon 250 Mark auszahlen lassen und zugesagt, am kommenden Tag mit den Malerarbeiten zu beginnen. Lesen Sie auch Peine-Ticker: Aktuelle Corona-News und Nachrichten aus der Stadt Nach Herzinfarkt in Peine: Dank an Ersthelfer kommt aus tiefstem Herzen Nach Beleidigungen: Von Maskenpflicht befreite Frau trägt Attest auf ihrer Kleidung „Doch dies geschah nicht. Versuche, ihn anzusprechen, scheiterten, und auch über seine Frau hat er sich verleugnen lassen“, weiß Wissel zu erzählen. Die Auftraggeberin habe nicht ein noch aus gewusst, zumal ja auch das Weihnachtsfest vor der Tür stand und die Zeit drängte. Zu allem Überfluss sei auch noch eine Rechnung für das Malermaterial gekommen. Als Kind hatte er sich sehnlichst einen Zinnsoldaten gewünscht: „Weil ich gelernter Maler bin, bat mich meine Frau, der alten Dame zu helfen. Noch am selben Abend habe ich mich auf den Weg gemacht und auch gleich mit der Arbeit begonnen“, so Wissel. Dabei kam er mit seiner Auftraggeberin ins Gespräch. „Wir unterhielten uns über Weihnachten und Wünsche. Ich erzählte ihr, dass ich mir als Kind sehnlichst einen Zinnsoldaten gewünscht aber nie einen bekommen hatte.“ Am nächsten Tag – es war Sonntag, der 20. Dezember – setzte er die Arbeit fort und wurde am Abend damit fertig. Bevor er ging, holte die Seniorin einen kleinen Gegenstand aus ihrem Schlafzimmer und gab ihn mir. Es war eine Form, in der man Bleifiguren – zwei drei Zentimeter hohe Preußen – gießen konnte. „Im Laufe der Jahre entstanden damit ein paar tausend Figuren“, berichtet Wissel über dieses gelungene Geschenk, das ihm bis heute Freude bereitet. Es sollte nicht bei den Soldaten bleiben, und so war dieser 20. Dezember der Beginn einer großen Leidenschaft. Erst später kamen auch Zivilfiguren zur Sammlung: Zu der ersten Gießform sind zahlreiche weitere hinzugekommen. Zunächst waren es hauptsächlich Soldaten, später auch Zivilfiguren. „Die sind aber recht selten und gar nicht leicht aufzutreiben“, sagt Wissel. Fündig wurde er auf Flohmärkten, Messen und im Versandhandel, einige Formen hat er auch selbst hergestellt. Weil sein Hobby nicht ganz billig ist, hat er sich vieles zu Geburtstagen oder Weihnachten schenken lassen. So sind im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Schätze zusammengekommen. Gern gestaltet er mit den Figuren und originalgetreu nachempfundenen Kulissen Szenen aus der Geschichte. Sogar mehrere Ausstellungen gestaltete der Malermeister. Unter anderem war 2007 eine unter der Motto „Peiner Leben in Zinn gegossen“ im Kreishaus zu sehen. Einige solcher Szenarien hat er in einem rund 60 Quadratmeter großen Schuppen auf seinem Grundstück in Peine aufgebaut. „Gezählt habe ich sie nicht, aber hier stehen sicher mehr als 3000 Figuren“, sagt er. Unzählige weitere schlummern in Kartons. Das Bemalen der Figuren erfordert große Präzision und viel Fingerspitzengefühl, wenn es so detailgetreu gelingen soll, dass es Wissels Anspruch an sich selbst genügt. „Das gelingt mir inzwischen leider nicht mehr so wie früher, deshalb habe ich mit der Produktion weitgehend aufgehört“, sagt der 77-Jährige. Seine Freude an den kleinen Figuren ist aber nach wie vor ungebrochen. Von Kerstin Wosnitza