So wollen die größten Parteien im Rat für bessere Löhne in Peine sorgen

Ein Niedriglohn-Landkreis! Die Peiner diskutieren über die im Niedersachsen-Vergleich hohe Zahl der Geringverdiener bei uns. „Traurig“ oder „Man malocht und die Tasche bleibt leer“: So kommentierten Leser die PAZ-Berichterstattung im Internet. Fast jeder vierte Vollzeitbeschäftigte im Landkreis arbeitet inzwischen für einen Niedriglohn und verdient damit weniger als 2267 Euro im Monat. Im Alt-Bezirk Braunschweig schneiden nur Helmstedt und Goslar schlechter ab. Der CDU-Fraktionschef im Peiner Stadtrat appelliert daher eindringlich: „Wir müssen dringend die Ansiedlungspolitik auf den Prüfstand stellen.“ Bruttoverdienste von unter 2000 Euro bei Logistikern: Andreas Meier verweist damit auf die zahlreichen Logistiker, die sich im Peiner Gewerbegebiet angesiedelt haben. In der Branche werden statistisch niedrige Entgelte gezahlt. Die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes stellte sogar fest, „dass mehr als ein Viertel der Erwerbstätigen in der Logistikbranche eine Bruttovergütung von weniger als 2000 Euro pro Monat erhält“. CDU-Politiker Andreas Meier wundert es daher nicht, dass Peine in der Lohn-Statistik so schwach abschneidet. In der regionalen Beschreibung des Landkreises und der Stadt werde Peine zwar als eine Stadt der gewerblichen Vielfalt dargestellt. „Doch leider sieht die Realität seit Jahren anders aus. Besonders unter Beachtung steuerlicher und gehaltstechnischer Entwicklung sind die Ansiedlungen der vergangenen Jahre eher restriktiv“, betont der Fraktions-Chef. Der Anteil an Niedriglöhnern sei gestiegen, die Gewerbesteuer-Einnahmen für die Kommune dagegen zurückgegangen. Fokus auf klein- und mittelständische Unternehmen: Die regionale Lösung sieht Meier im Wesentlichen in der Ansiedlung von klein- und mittelständischen Unternehmen. „Das wurde in den letzten Jahren in Peine erheblich vernachlässigt. So wurden nach und nach große Logistikbetriebe angesiedelt, während alteingesessene mittelständische Betriebe wie zum Beispiel die Nordmeyer SMAG und jüngst auch die Firma Prakla Bohrtechnik GmbH ihren Standort in Peine aufgegeben haben, ohne dass vergleichbarer Ersatz gekommen wäre“, stellte der CDU-Politiker fest. In seinem Konzept regional bedeutsamer Gewerbestandorte (Koreg) liefert auch der Regionalverband Großraum Braunschweig Zahlen, die verdeutlichen, warum der Niedriglohn-Anteil in Peine vergleichsweise so hoch ist. Der Landkreis Peine ist etwa bei den Beschäftigten ohne Berufsabschluss mit einer Quote von 15,5 Prozent einsamer Spitzenreiter im Großraum Braunschweig. „Unter Berücksichtigung der Branchenanalyse Logistik der Hans-Böckler-Stiftung sollte klar sein, wo die Zahl herkommt“, sagt CDU-Ratsfraktionschef Andreas Meier. Beim Anteil der Beschäftigten in den wissensintensiven Industrien an der Gesamtbeschäftigung weist der Koreg-Bericht den Landkreis mit einem Wert von nur 5,1 Prozent zudem als Schlusslicht aus. Die CDU habe daher einen Gewerbeflächen-Entwicklungsantrag gestellt. „Er sollte eine Initialzündung sein. Wir wollten hier eine nachhaltige Verbesserung erreichen und auch wieder mehr Betriebe mit qualifizierten Arbeitsplätzen ansiedeln – sind aber an der rot-grünen Ratsmehrheit gescheitert. Aus unserer Sicht ein fataler Fehler“, betont Meier. Zudem plädiert er dafür, die Scheinselbstständigkeit von Beschäftigten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. „Hier ergeben sich allerdings Fragestellungen, die nicht nur in Peine zu lösen sind.“ Gemeinsame Gewerbegebiete denkbar: Auch Matthias Wehrmeyer, der Chef der SPD-Stadtratsfraktion, hätte sich über ein besseres Peiner Abschneiden in der Lohn-Statistik gefreut. „Auch wir wären froh, etwas Höherwertiges zu bekommen. Doch das Feld der Ansiedlung von Unternehmen ist schwierig – auch für andere. Die Möglichkeiten sind begrenzt“, gibt er zu bedenken. Doch auch der Sozialdemokrat betont: „Wir müssen unsere Attraktivität steigern!“ Er könne sich etwa vorstellen, die Zusammenarbeit in der Region weiter auszubauen und zum Beispiel mit größeren Kommunen wie der Stadt Braunschweig ein gemeinsames Gewerbegebiet zu erschließen. Zudem sei es wichtig, weitere Grundstücke für mögliche Ansiedlungen zu kaufen. „Da müssen wir massiv ran“, sagt Wehrmeyer und denkt dabei zum Beispiel an Flächen an der Stederdorfer Ortsumgehung. Und da Nachbarkommunen wie Hannover, Braunschweig oder Wolfsburg bei Ansiedlungen vielleicht nicht in der Infrastruktur zu schlagen sind, „müssten wir vielleicht noch weiter an die Preise ran“. Am Hebesatz der Gewerbesteuer zu schrauben, hält der SPD-Fraktionschef allerdings für nicht realistisch. „Wir befinden uns schließlich in einer Phase der Haushaltskonsolidierung.“ Lesen Sie auch Peine: Mandy Hoffmann über den Uni-Alltag mit 16 in Corona-Zeiten Lockdown in Peine: Versprochene Hilfen kommen nicht an Mehrum: Kraftwerk war 2020 an 100 Tagen am Netz Zahl der Vollzeitbeschäftigten in Peine gestiegen: Erfreut ist Wehrmeyer allerdings über die Statistik, dass im Landkreis Peine seit vier Jahren die Zahl der Vollzeitbeschäftigten zugenommen hat. Deshalb glaubt der SPD-Politiker auch fest daran, dass es beim Thema Niedriglohn-Anteil nicht schlechter wird. „Es wird sich stabilisieren“, vermutet er. Von Christian Meyer