Peines Niedriglohn-Dilemma: Heil will Mindestlohn schneller erhöhen

40 Stunden malochen in der Woche und trotzdem nicht viel im Portemonnaie: Im Landkreis Peine ist der Anteil der Vollzeitbeschäftigten, die für einen Niedriglohn arbeiten vergleichsweise hoch. Ob Beschäftigte in der Logistikbranche, Reinigungskräfte, Pfleger und Pflegerinnen in Heimen: Fast jeder Vierte verdient weniger als 2267 Euro brutto im Monat und hat Schwierigkeiten, etwas für die Rente zur Seite zu legen. Damit liegt Peine im niedersachsenweiten Vergleich weit hinten. Das wurmt auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Im PAZ-Interview kündigt der SPD-Politiker deshalb an, beim Thema Mindestlohn-Erhöhung aufs Gaspedal zu drücken. „Applaus für Corona-Helden darf nicht ohne Konsequenzen verhallen“: Herr Minister Heil, wenn ausgerechnet die Heimat und der Wahlkreis in der Lohn-Statistik so schwach abschneiden – wie sehr wurmt das den Arbeitsminister? Natürlich beschäftigt mich das. Unsere Arbeitsmarktpolitik ist darauf ausgerichtet, dass möglichst viele Menschen in gut bezahlter Arbeit sind. Gerade jetzt mitten in der Corona-Pandemie müssen wir uns Gedanken machen, wie wir wieder zu höheren Löhnen kommen. Der Applaus für die Corona-Helden darf nicht ohne Konsequenzen verhallen. Es ist eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, dass für Jobs, in denen hart gearbeitet wird, auch vernünftige Löhne gezahlt werden. Dazu gehört aber eben auch, dass wir in Deutschland endlich wieder mehr Tarifbindung brauchen, das bewirkt in der Regel bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Im Übrigen hilft auch ein höherer Mindestlohn, untere Löhne näher an die Mitte zu führen. Deswegen setze ich mich dafür ein, dass wir schneller zu einem Mindestlohn von 12 Euro kommen. Heil hält weiteren Ausbau der Ganztagsbetreuung für wichtig: Wie ließe sich gegensteuern, damit in Peine bessere Ergebnisse erzielt werden? Zum einen müssen wir auf bundespolitischer Ebene Entscheidungen treffen, damit das Lohnniveau steigt. Dazu gehört eben auch ein steigender Mindestlohn. Gleichzeitig müssen wir gute Rahmenbedingungen setzen, damit vor allem Alleinerziehende, in der Mehrheit Frauen, nicht immer in Teilzeit arbeiten müssen. Eine Möglichkeit sehe ich hier in einem Ausbau qualitativ guter Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen. Zum anderen brauchen wir in Peine eine gut durchdachte, langfristig tragfähige Standortpolitik, um Institutionen und Unternehmen, die gut bezahlte Jobs mit Perspektive schaffen, für Peine zu gewinnen. Deswegen habe ich mich etwa auch sehr dafür eingesetzt, dass sich die Bundesgesellschaft für Endlagerung hier bei uns ansiedelt. Das bedeutet konkret einen Aufwuchs an guten Arbeitsplätzen. Zum anderen geht es um die Sicherung von Peine als Stahlstandort, die Förderung von Handwerk und Mittelstand – aber auch die Sicherung des Krankenhausstandorts spielt dabei eine wichtige Rolle. Lesen Sie auch In Peine gibt es vergleichsweise viele Geringverdiener So wollen die größten Parteien im Rat für bessere Löhne in Peine sorgen Marktbeschicker erfreut: Die Peiner kaufen mehr regionale Lebensmittel Grundrente ein Gewinn für 1,3 Millionen Menschen: Was antwortet ein Arbeitsminister einem Geringverdiener, der sich Sorgen um seine Rente macht? Ich verstehe, dass sich Menschen Gedanken um ihre Absicherung im Alter machen. Bei Geringverdienern umso mehr. Genau für diese Gruppe haben wir zum 1. Januar die Grundrente eingeführt. Damit erhalten über 1,3 Millionen Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet, aber wenig verdient haben, eine höhere Rente. Das ist für viele ein gutes Signal, dass wir ihre Lebensleistung anerkennen. Ich wünsche mir aber, dass mehr Menschen sich leisten können, für ihren Ruhestand vorzusorgen. Das geht in der Regel nur über höhere Löhne. Hier müssen auch die Arbeitgeber umdenken und wieder mehr Tarifbindung zulassen. Sind Sie optimistisch, dass sich in Peine auch Arbeitgeber aus besser bezahlten Branchen ansiedeln werden? Ja, ich bin optimistisch, dass uns das gelingt. Ich werde mich weiter im Schulterschluss mit Stadt-, Gemeinde und Kreispolitik dafür einsetzen. Von Christian Meyer