Peiner „Rosenblick“: Lob und Kritik für Einsatz von infizierten Pflegern

Verantwortungsbewusstsein oder Fahrlässigkeit – zwischen diesen Extremen bewegten sich die zahlreichen Reaktionen, die es im Internet zum PAZ-Artikel nach dem Corona-Ausbruch im Telgter Seniorenheim „Rosenblick“ mit der Überschrift „Infizierte Mitarbeiter pflegen infizierte Bewohner“ gab. „Hut ab“ und „Hochachtung“, lobten die einen, „Falsch verstandene Fürsorgepflicht“ oder „Ich bin Pflegekraft und nicht Kanonenfutter ohne Gesundheit“, monierten andere. Über manch Kommentare war Heimleiterin Nele Wohlfeil mehr als verwundert. Einsatz von infiziertem Personal nur auf freiwilliger Basis: Denn es gab auch Aussagen, die den Tenor hatten, dass es ja nicht verwunderlich sei, dass es weitere Corona-Fälle gebe, wenn infizierte Mitarbeiter noch arbeiten würden. Mit Aufklärung versucht sie den Kritikern die Situation noch einmal zu verdeutlichen und betont: „Unsere infizierten Mitarbeiter versorgen auf rein freiwilliger Basis ausschließlich die bereits infizierten Bewohner. Voraussetzung hierfür ist immer, dass es jedem Mitarbeiter tagesaktuell gut geht und er uns seine Unterstützung eigeninitiativ anbietet.“ Es gab einige Mitarbeiter, die trotz Corona-Infektion symptomfrei waren und die Möglichkeit zum Arbeiten nutzten – und das habe einen großen Vorteil. „Bei der Versorgung infizierter Bewohner durch infiziertes Personal kann sich definitiv niemand mehr gegenseitig anstecken“, unterstrich die Einrichtungsleiterin. Einweghandschuhe werden sogar doppelt übergestreift: Die Schutzvorkehrungen seien hoch. Alle Mitarbeiter würden einen Schutzkittel, eine FFP2-Maske, darüber einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz, ein Visier beziehungsweise eine Schutzbrille tragen. Und Einweghandschuhe werden nicht nur einfach übergestreift, sondern sogar doppelt. Zudem werde infiziertes und nicht infiziertes Personal strikt voneinander getrennt. „Positiv getestete Mitarbeiter dürfen sich nur in besonders gekennzeichneten Räumen aufhalten, nutzen andere Umkleideräume und von den Gesunden getrennte sanitäre Anlagen sowie Zugänge zu den Wohnbereichen“, betont Nele Wohlfeil. Gemeinsame Pausen oder der gemeinsame Aufenthalt in Dienstzimmern mit anderen Personen sei strikt untersagt. Bewohnern fällt es schwer, Regeln zum Schutz einzuhalten: Eine größtmögliche Trennung von Mitarbeitern erfolge ohnehin schon seit längerer Zeit. Ein Pläuschchen bei einer gemeinsamen Pause ohne Mund-Nasen-Schutz und Mindestabstand –das gäbe es nicht. „Auch sämtliche, nicht notwendige Besprechungen wurden abgesagt, Fortbildungen fanden nur für eine kurze Zeit während der geringen Inzidenzen bei halbierter Teilnehmerzahl und mit durch uns vorgegebener Sitzordnung statt“, unterstreicht die Einrichtungsleiterin. Seit Beginn der Pandemie befinden sich alle Alten- und Pflegeheime auf einer Gratwanderung. „Nicht einmal eine permanente Isolierung der Bewohner, welche aus ethischen Gründen für uns niemals in Frage gekommen wäre, hätte einen hundertprozentigen Schutz bedeutet“, merkt Nele Wohlfeil an. Erschwert werde die Umsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen in Seniorenheimen dadurch, „dass wir mit Menschen arbeiten, die eben nicht immer kognitiv in der Lage sind, die Maßnahmen zu verstehen und umzusetzen. Was jeder Einrichtung und jeder Risikogruppe tatsächlich helfen würde, ist die Einhaltung der Hygieneregeln im gesellschaftlichen Alltag, weil wir uns bei solch hohen Zahlen irgendwann nicht mehr schützen können“, betont die „Rosenblick“-Chefin. Lesen Sie auch: Corona-Schnelltests: Landkreis Peine setzt Extra-Team ein Hälfte lernt zu Hause: BBS Peine appelliert für Szenario B bis Weihnachten Verstoß gegen Maskenpflicht in Peine: 20-Jährige widersetzt sich der Polizei Appell für mehr Personal durch bessere Bezahlung: Sie sei ihren Mitarbeitern in dieser schwierigen Zeit zumindest unglaublich dankbar. Denn: „Sie machen nicht nur einen tollen Job, sondern fühlen sich für ihre Bewohner eben auch besonders verantwortlich und handeln entsprechend. Das kann unter den Außenstehenden vielleicht nicht unbedingt Jeder nachvollziehen.“ Viele Pflegekräfte und Heimleitungen schon – nicht zuletzt wegen des großen Personalmangels in ihrer Branche. Wenn mehrere Mitarbeiter wegen einer Corona-Infektion ausfallen, können nicht mal flugs problemlos neue Kräfte rekrutiert werden. Auch deshalb kommentierte Leser Thomas Hafner die „Rosenblick“-Geschichte so: „Zu diesem Artikel fallen mir spontan zwei Sachen ein: Wir brauchen definitiv mehr Pflegekräfte und die Bezahlung für Leute, die sich um andere Menschen kümmern, muss endlich deutlich steigen.“ Von Christian Meyer