Peiner Hausärzte sind überzeugt: „Wir brauchen keine Impfzentren!“

Auf Hochtouren laufen derzeit die Vorbereitungen für die Impfzentren in ganz Niedersachsen: Sobald ein genehmigter Stoff vorliegt, sollen dort in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Menschen gegen das Coronavirus geimpft werden. „Grundsätzlich ist das Impfen der richtige Weg – aber die Zentren brauchen wir dazu nicht!“, sind Peiner Ärzte überzeugt. Es werde ein riesiger Aufwand betrieben und viel Geld ausgegeben, obwohl es die benötigten Strukturen in den Arztpraxen bereits gibt. Das Einrichten der Impfzentren ist ein enormer Kraftakt: Es müssen geeignete Räume gefunden und ausgestattet werden, und es wird ausreichend entsprechend ausgebildetes Personal für die Durchführung gebraucht. Der Landkreis Peine hatte sich am Freitag mit einem Appell an die Öffentlichkeit gewandt, sich für die Arbeit dort zu melden, sofern man die Voraussetzungen erfüllt. „Das alles ist aus unserer Sicht unnötig“, sagen Dr. Friedrich Scheibe, Kreisvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Peine, und sein Kollege, der erfahrene Hausarzt Dr. Heinrich Hülsheger, auch im Namen vieler Kollegen gegenüber der PAZ. Die Argumente, die von den Verantwortlichen des Landes Niedersachsen für die Einrichtung der Zentren angeführt werden, lassen sie nicht gelten. „Impfstoff hält bei Kühlschranktemperatur fünf bis sieben Tage“: Die immer wieder aufgeführte notwendige Kühlung bestimmter Impfstoffe sei aus ihrer Sicht kein Problem: Zwar brauche man für die längerfristige Lagerung eine Temperatur von minus 70 Grad, aber bei Kühlschranktemperatur sei eine Haltbarkeit von immerhin fünf bis sieben Tagen gewährleistet. „In dieser Zeit kann der Stoff bei entsprechender Planung verbraucht sein“, sagt Hülsheger. Keine Entlastung für Ärzte erkennbar: Eine Entlastung für die niedergelassenen Ärzte und deren Mitarbeiter vor Ort können sie nicht erkennen, zumal davon auszugehen sei, dass sie zusätzlich zu ihrer normalen Arbeit auch in den Impfzentren gebraucht werden. „Die Vor- und Nachbereitung wird ohnehin in den Praxen stattfinden. Schon jetzt fragen viele Patienten, ob die Impfung für sie angezeigt ist, und natürlich bekommen sie von uns die entsprechenden Informationen“, berichtet Scheibe aus der alltäglichen Arbeit. Lesen Sie auch: Landkreis Peine sucht Personal für Impfzentrum Impfzentrum und Corona-Testzentrum sollen ins Peiner UPP II Peine-Ticker: Aktuelle Corona-News und Nachrichten aus der Stadt - 04.12.20 „Sicher werden wir Ärzte auch einbezogen werden müssen, wenn es darum geht, die angedachte Priorisierung der zu impfenden Personen festzulegen. Wer sonst hat den entsprechenden Überblick, wer wegen seiner Vorerkrankungen zur Risikogruppe gehört? Und auch wenn es Komplikationen oder Nebenwirkungen geben sollte, werden wir Ärzte gefordert sein – sowohl bei der Behandlung als auch bei der Dokumentation und Weitergabe der Beobachtungen“, macht Hülsheger deutlich. Er geht sogar so weit, die Schaffung von Impfzentren als politische Absicht zu werten, die nicht wirklich begründbar sei. Ministerium ist von Notwendigkeit der Impfzentren überzeugt: Oliver Grimm, Pressesprecher des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, kommt naturgemäß zu einer anderen Einschätzung. Er zeigt auf Nachfrage auf, worin nach Ansicht der Verantwortlichen die Vorteile von Zentren liegen. „Der Impfstoff muss verteilt werden. Das wird zunächst in sehr großen Chargen erfolgen, die von den Praxen gar nicht verarbeitet werden können“, macht er deutlich. Ein Vertrieb über die sonst üblichen Strukturen sei vorerst nicht möglich, sondern müsse nach und nach erst aufgebaut werden. Auch die Notwendigkeit der Lagerung bei minus 70 Grad sei entgegen der Einschätzung der Ärzte ein Grund. Das sei zentral leichter sicher zu stellen als in Arztpraxen. Man habe sich die Entscheidung für die Impfzentren sehr gut überlegt, denn es sei immer besser, solche Parallelstrukturen zu vermeiden. In diesem Fall habe man sich aber dennoch für dieses Vorgehen entschieden. „Es soll aber nur eine Übergangslösung sein, die Überführung in die Regelversorgung – also das Impfen in Arztpraxen – ist geplant“, macht Grimm deutlich. Wie leistungsfähig dieses System ist, sei in den zurückliegenden Monaten deutlich geworden: Rund 1,4 Millionen Menschen wurden innerhalb kürzester Zeit gegen Grippe geimpft. Von Kerstin Wosnitza