Peine: Sparkasse kündigt 5000 Prämiensparverträge

Mehr als 90 Sparkassen bundesweit haben vorgelegt, jetzt zieht die Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine nach: Das Kreditinstitut kündigt zum 30. April 5000 Prämiensparverträge in ihrem Geschäftsgebiet, davon 1600 aus dem Raum Peine. Gesamtvolumen: rund 98 Millionen Euro. Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sieht sich die Sparkasse zu diesem Schritt gezwungen. Die Kündigungsschreiben würden laut einer Mitteilung aktuell versandt. Konkret gehe es um die Verträge, die bereits 15 Jahre oder länger laufen, heißt es in einer Mitteilung. Auch Mitarbeiterverträge gekündigt: Der Bundesgerichtshof (BGH) habe zu diesem Thema bereits entschieden, dass Sparkassen diese Verträge mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen dürfen, wenn die Kunden mindestens einmal „in den Genuss des höchsten Prämiensatzes“ von 50 Prozent auf die jährlichen Sparraten gekommen sind. Viele Kunden der Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine hätten diesen sogar über Jahre erhalten, erklärte Pressesprecherin Elke Brandes auf Anfrage. Die Vertragsgestaltung in den früheren Sparkassen sei allerdings sehr unterschiedlich ausgefallen. Auch Verträge von Mitarbeitern würden bei den Kündigungen nicht ausgenommen. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen erklärte auf PAZ-Anfrage, dass sie fest davon ausgeht, dass andere Banken im Umfeld folgen, und ebenfalls ältere Sparverträge kündigen, die den Kriterien entsprechen. Bei der Volksbank Brawo gibt es allerdings keine Pläne in diese Richtung, erklärte der Peiner Direktionsleiter Stefan Honrath auf Anfrage der PAZ. Die Commerzbank habe Sparpläne mit variablem Basiszins und endfälligem Bonus bereits seit Jahren nicht ‎mehr im Vertrieb, erklärte Pressesprecherin Ina Mähl. Die Kündigungswelle rollt: Allein im vergangenen Jahr sind 200 000 Sparkassenkunden deutschlandweit die Prämiensparverträge gekündigt worden, hat das Verbraucherportal biallo.de ermittelt. Dabei wurden die Daten von 1300 Banken und Sparkassen ausgewertet. Spitzenreiter bei den Kündigungen sei Bayern. Im Freistaat hätten 34 Sparkassen Prämiensparverträge gekündigt. Es folgten Niedersachsen mit 13 und Nordrhein-Westfalen mit 7 Sparkassen. Mehr als 90 Sparkassen hätten bereits Kündigungen verschickt. Bei der Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine gibt es bereits Überlegungen für den nächsten Schritt: „Wenn die Rahmenbedingungen sich nicht ändern, planen wir, auch künftig Verträge zu kündigen, die die Voraussetzungen erfüllen“, so Brandes. Die Banken stehen zunehmend unter Druck. Der Grund für die aktuellen Kündigungen liege in den wirtschaftlichen Bedingungen, die sich seit Vertragsabschluss extrem verändert hätten, erklärt die Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine. Das anhaltende und historisch niedrige Zinsniveau, bedingt durch Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) führe die Sparkasse und ihre Kunden in diese Situation. Wirtschaftlich nicht mehr zu verantworten: Eine Weiterführung der Verträge sei laut Vorstands-Chef Jürgen Twardzik wirtschaftlich nicht mehr zu verantworten. „Natürlich verstehen wir die Enttäuschung unserer Kunden, aber wir sind genauso Leidtragende der EZB-Politik und sitzen mit unseren Kunden in einem Boot“, so der Vorstandsvorsitzende. „Die aktuelle Zinssituation, gepaart mit dem negativen EZB-Einlagensatz für Banken, der aktuell bei minus 0,5 Prozent liegt, zwingt uns zu diesem Handeln.“ Es liege in der Verantwortung als Kreditinstitut vor Ort, auch einmal unbequeme Entscheidungen zu treffen, um die Sparkasse sicher durch das schwierige Zinsumfeld zu navigieren, betonte Twardzik. „Selbstverständlich lassen wir unsere Kunden mit der Entscheidung, wie sie in Zeiten von niedrigen Zinsen sparen und Geld anlegen können, nicht alleine, und bieten gute Anlage-Alternativen.“ Wie diese aussehen können, hänge von den jeweiligen Wünschen und Vorstellungen der Kunden ab. Eine gute Möglichkeit sei zum Beispiel ein Fonds-Sparplan. Hier könne jeder Kunde die Anlage an seine individuellen Vorstellungen anpassen. Das klassische Sparbuch erscheint dabei aktuell wenig lohnenswert: Aktuell gibt es auf Sparkonten bei der Sparkasse mit dreimonatiger Kündigungsfrist 0,001 Prozent Zinsen. Sparvertrag gekündigt? Das rät die Verbraucherzentrale: Petra Borgmann von der Verbraucherzentrale Niedersachsen rät Kunden nach Erhalt der Kündigung, Widerspruch einzulegen und die Sache prüfen zu lassen, auch wenn es bereits ein BGH-Urteil dazu gibt. Denn, so die Expertin, der Teufel steckt im Detail. Erfahrungen mit der Materie hat sie reichlich. Nachdem die Sparkasse Osnabrück Kündigungen ausgesprochen hatte, hat sie rund 70 Betroffene beraten. Ihrer Kenntnis nach habe es bundesweit einzelne Fälle gegeben, in denen im Vertrag eine Laufzeit von 99 Jahren angegeben war, und letztlich zugunsten der Kunden entschieden wurde. Schlichtungsstelle einschalten: In anderen Fällen war die Zinsberechnung der Bank nach Auffassung der Verbraucherschützer falsch oder der höchste Prämiensatz noch nicht erreicht. Hält die Sparkasse trotz Widerspruchs an der Kündigung fest, gebe es noch die Möglichkeit die Schlichtungsstelle der Bank einzuschalten. Weitere Informationen zum Thema Kündigungen von Sparverträgen gibt es bei der niedersächsischen Verbraucherzentrale. Die Frage nach alternativen Anlagemöglichkeiten sei pauschal nicht zu beantworten. Da hänge natürlich auch stark vom Wunsch des Kunden ab. Angebote von Banken sollten jedoch nicht vorschnell unterschrieben werden. Empfehlenswert sei eine unabhängige Beratung. Dafür verweist sie auf die kostenpflichtigen Beratungsmöglichkeiten der Verbraucherzentrale. Von der Redaktion

Banken - Peine: Sparkasse kündigt 5000 Sparverträge im Wert von 98 Millionen Euro