Leiter der Peiner Kreismusikschule: In 48 Stunden von Null auf Digital

Die Umstellung auf den virtueller Musikunterricht hat die Kreismusikschule Peine bereits im ersten Lockdown bravourös gemeistert, dennoch haben viele Kollegen von Sven Trümper Existenzsorgen. Im Interview spricht der Kreismusikschulleiter über fehlende Konzerte und eine dennoch große Motivation. Niemand ist wirklich glücklich mit diesem Jahr. Was war(en) für Sie der / die schönste(n) Momente? Glücksmomente empfanden wir besonders während unserer sommerlichen Konzerte vor den Senioreneinrichtungen, ebenso wie bei den vielen positiven Rückmeldungen und freudigen Gesichter im Online-Unterricht während des ersten Lockdowns. Toll, dass wir so wenigstens etwas Abwechslung in den Alltag nach Hause bringen konnten. Und sonst? Alles anders, als geplant! 2020 sollte ja die ganz große Geburtstagsfeier zu Ehren von 40 Jahren KMS Peine werden. Seit März liegt unser Schwerpunkt stattdessen auf der Digitalisierung. Sie hatten vom ersten Moment des Lockdowns bereits Ihre digitale Musikschul-Version parat, als andere (Musik-) Schulen noch im Trüben fischten. Wie haben Sie das gemacht? Schon Ende Februar zeichnete sich ja ab, dass wir notfalls extrem schnell reagieren müssen. Innerhalb eines Wochenendes haben wir es deshalb mit Hilfe eines Technikerteams befreundeter Veranstaltungs-Firmen geschafft, unser Kollegium digital auszustatten. Das musste doch ein Vermögen gekostet haben? Weil wir schon seit einigen Jahren unser digitales Equipment immer wieder aufgestockt hatten, konnten wir somit beinahe mühelos innerhalb von 48 Stunden den ersten Schritt in den digitalen Unterricht setzen. Kursangebote und Kooperationen folgten Mitte April. Kompliment! Und wie ließen sich sowohl Kollegium als auch die Schüler für diesen komplett veränderten Unterricht motivieren? Ich bin sehr stolz auf unser junges und dynamisches Kollegium, das wirklich ausnahmslos und sofort reagiert hat und völlig offen für die digitale Unterrichtsversorgung war. Trotzdem waren für uns alle die letzten Monate sehr hart, besonders wegen der Existenzängste vieler Kolleginnen und Kollegen. Denn niemand weiß, wann die dringend gebrauchten Konzerteinnahmen wieder erspielt werden können. Außerdem vermissen wir es alle, gemeinsam zu musizieren. Umso mehr freue ich mich, dass keine große Motivation meinerseits ans Kollegium notwendig war und wir alle auch unsere Schülerinnen und Schüler zu großen Teilen für einen digitalen Ersatzunterricht gewinnen konnten. Proben per Digitalkonferenz: Kamen auch Ideen zur Unterrichtsgestaltung aus der Schülerschaft? Gerade in der letzten Woche haben wir Schülerwünsche erfüllt und in einem unserer Ensembles eine digitale Weihnachtsfeier organisiert. Auch der Wunsch, gemeinsam per Digitalkonferenz zu proben, stammt von Schülern. Haben eigentlich auch andere Musikschulen von den Peiner Ideen profitiert? Den von uns entwickelten Stufenhygieneplan hat der Verband Niedersächsischer Musikschulen landesweit als „Best-Practise-Vorschlag“ allen niedersächsischen Musikschulen empfohlen. Auch unser digitaler Adventskalender https://kreismusikschulepeine.de/advent und der „Tag der offenen Homepage“ ist und war an einigen Einrichtungen der Region wiederzufinden. Musiker ohne Auftritte sind wie Cowboys ohne Pferd. Wie haben Sie sich bisher beholfen? Nicht gemeinsam in Konzerten zu musizieren ist einer der größten Verluste für unsere Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch für mich. Das Konzerterlebnis lässt sich einfach nicht digital umsetzen. Und ohne ein klares Konzert- oder Auftrittsziel „nur so“ zu üben ist sehr belastend. Streaming-Konzerte oder Konzerte im Autokino-Format schafften zwar eine willkommene Abwechslung, ersetzen, aber längst nicht das gemeinsame Erleben in Bands, Orchestern und Ensembles. Früherziehungskonzept wird überarbeitet: Im kommenden Jahr wird die Pandemie den Wettbewerb „Jugend musiziert“ wohl verhindern. Gibt es eine Alternative, um die jungen Künstler weiterhin zu motivieren? Nach meiner Kenntnis ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Wettbewerb komplett abgesagt wird. Man diskutiert wohl über digitale Optionen. Je nachdem, wie sich das Jahr entwickelt, könnten wir uns einen eigenen kleinen Wettbewerb zum Herbst vorstellen. Das erste Halbjahr werden wir aber bewusst noch abwarten und reagieren auf die Möglichkeiten, die sich uns vielleicht ergeben. Die Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Musikschule haben Sie auf dieses Jahr verschoben. Wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen? Ja, wir wurden eiskalt erwischt und mussten über 45 Veranstaltungen von jetzt auf gleich absagen. Auf Konzertformate wollen wir uns noch nicht festlegen. Der Trend geht zu „klein aber fein“, also Konzertformate für wenige Zuschauer an besonderen Orten. Mit vielleicht 40 Gästen und zehn Musiker/innen sind Konzerte viel flexibler umsetzbar. Wir fahren also auf Sicht und versuchen neue Formate innovativ, flexibel und kurzfristig zu etablieren. Und das ist ja genau das Positive, was wir in diesem Jahr wirklich fürs Leben gelernt haben. Wie motivieren Sie sich eigentlich selbst? Und wann lassen Ihre Kreativität und Ihr Ideenreichtum Sie eigentlich schlafen? Meine Ideen sprudeln nach wie vor und mir erscheinen die Tage oft zu kurz, um alles umzusetzen (lacht). Im Sommer beginnt hoffentlich unsere neue Tanzabteilung. Dann wollen wir unser gesamtes Gebührensystem auf ein flexibles Abo-System umstellen und werden auch einige digitale dazu buchbare Optionen im Portfolio haben. Und schon im Februar gibt es ein komplett überarbeitetes Früherziehungskonzept, mit dem wir eine flächendeckende Ausbildung für Kinder zwischen einem und acht Jahren anbieten können. Und auch wegen eines eigenen Gebäudes für die Kreismusikschule hoffen wir auf etwas Klarheit im kommenden Jahr. Also: spannende Themen, die mich abends oft noch sehr lange begleiten, aber mich auch meistens glücklich und sehr zufrieden einschlafen lassen. Lesen Sie auch Peiner Seniorenheim-Leiterin: Alle Pflegekräfte sollten mehr verdienen Teatr-dach-Chef: „Kunst ist unverzichtbar!“ Lüder Richter: „Wölfe sind genauso gefährlich wie andere Wildtiere“ Von Ulrich Jaschek