Kreis Peine: Ehrenamtliche Familienlotsen führen Familien durch Krisen

Ständiges Meckern über das Essen, Berge von Schmutzwäsche, keine Lust auf Hausaufgaben, Trotzanfälle, Beruf und Beziehung: Familienalltag ist immer wieder eine Herausforderung und manchmal eben auch eine Überforderung. Hier können ehrenamtliche Familienlotsen helfen, sei es durch offene Gespräche, die Begleitung bei Behördengängen oder Unterstützung bei Anträgen – die Möglichkeiten sind vielfältig. Das Angebot ist kostenfrei „Ziel ist immer die Hilfe zur Selbsthilfe“, sagen Yvonne Blöcker und Madlen Kestner vom Lokalen Bündnis für Familie im Landkreis Peine. Gestartet ist das Projekt im Jahr 2011: Blöcker und Kestner kümmern sich um die Koordination sowie die Ausbildung und Begleitung der Familienlotsen. Gestartet ist das Projekt im Jahr 2011. Seitdem hat es sechs Qualifizierungskurse gegeben, der siebte startet am 18. März, findet wegen der Corona-Pandemie erstmals digital statt und umfasst zwölf Schulungseinheiten. „Es sind nur noch ganz wenige Plätze frei“, berichtet Kestner. Der siebte Qualifizierungskurs für ehrenamtliche Familienlotsen wird in Kooperation mit der Familienbildungsstätte Hildesheim durchgeführt. Der Kurs findet digital statt und zu folgenden Zeiten von 18. März bis 1. Juli jeweils donnerstags von 18 bis 21 Uhr statt. In den Ferien wird pausiert. Die Qualifizierung ist kostenfrei und am Ende des Kurses wird ein Zertifikat vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ausgestellt. Die Lotsen erhalten für ihre ehrenamtliche Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung, begleitende Fachberatung sowie themenbezogene Fortbildungen. Ehrenamt wird mit der Möglichkeit einer persönlichen Weiterentwicklung verbunden. Anfragen zum Einsatz von Familienlotsen oder zur ehrenamtlichen Tätigkeit nehmen Yvonne Blöcker und Madlen Kestner entgegen. Kestner: Telefon: (0 51 71) 40 13 00 61, E-Mail: m.kestner@landkreis-peine.de und Blöcker: Telefon: (0 51 71) 40 13 00 62, E-Mail: y.bloecker@landkreis-peine.de Ein ehrenamtlicher Familienlotse der ersten Stunde ist Christof Reinhardt aus Hohenhameln. Der 52-Jährige ist auch ausgebildeter Verfahrensbeistand. Zu seinem Schwerpunkt gehören Familien in Trennungssituationen. „Wenn ich der Familie helfen kann, dann helfe ich auch den Kindern.“ Oftmals suchen Eltern Hilfe, weil sie meinen, dass mit dem Kind etwas nicht stimme. In Gesprächen stelle sich dann aber heraus, dass das Verhalten der Eltern die Probleme verursache. „Die Arbeit setzt primär bei den Eltern an, damit sie die Sorgen und Nöte des Kindes verstehen.“ Konflikte zwischen den Eltern sollten beigelegt werden, um die Belastung vom Kind fernzuhalten. Eine außergerichtliche Einigung entlaste aber auch Gerichte und Ämter, betont Reinhardt. „Wichtig ist, dass die Kinder in stabilen Verhältnissen aufwachsen und eine möglichst unbeschwerte Kindheit haben.“ Dies wirke sich positiv auf die Zukunft aus. „Eine Lösung gibt es immer“: Reinhardt arbeitet freiberuflich im technischen Bereich und kann Ehrenamt und Beruf gut vereinbaren, zumal er auch er auch sein Engagement frei gestalten kann. Das Vorgehen ist lösungsorientiert. Die Anforderungen sind je nach Fall unterschiedlich und vielfältig. Manchmal brauche es mehr als ein Jahr und ein Fall nehme 700 bis 800 Stunden in Anspruch, schildert Reinhardt. In anderen Situationen reichen zehn Stunden. „Eine Lösung gibt es immer.“ Zwölf Familien hat Reinhardt bislang betreut. Darunter gab es zwei schwere Fälle, wo es um Verwahrlosung und Kindeswohlgefährdung ging. Dann müsse auch professionelle Hilfe von außen geholt werden. Ansonsten ist Reinhardt aber überzeugt, dass Familienlotsen einen leichteren Zugang zu den Familien haben, weil sie nicht vom Amt kommen würden und alles etwas legerer sei. Lesen Sie auch „Ein krasses Zeichen für die Not“: Kinderarzt aus Hannover warnt vor Lockdown-Folgen für Kinder Wegen Corona: Highland Gathering 2021 abgesagt Peine: So wirkt sich die Corona-Krise auf den Immobilienmarkt aus Dies sehen auch Blöcker und Kestner. „Beim ersten Gespräch sind wir noch dabei“, sagen sie. Der Vorteil der Familienlotsen sei aber, dass sie keinen so starken institutionellen Hintergrund haben, erläutert Kestner. „Manchmal wird nur ein Gesprächspartner gebraucht.“ Zurzeit gibt es einen Stamm von 30 Familienlotsen, von denen zehn aktiv sind. „Das Engagement richtet sich auch immer nach den persönlichen und zeitlichen Möglichkeiten der Ehrenamtlichen“, erklärt Blöcker. Der Einsatz sollte sich in der Regel auf ein Jahr beschränken, mit ein bis maximal zwei Stunden pro Woche. Mit den Ehrenamtlichen findet ein regelmäßiger Austausch statt. Mitmachen kann jeder, der Volljährig ist, aber ein bisschen Lebenserfahrung schadet nicht. Von Jan Tiemann