Inventur in Peiner Geschäften: Zum Knöpfezählen braucht man viel Geduld

Für den Einzelhandel sind die Tage um den Jahreswechsel traditionell die Zeit des großen Zählens. Ob sie Stoffe verkaufen oder Steine: Handels- und Steuergesetz schreiben Unternehmern, die im Handelsregister eingetragen sind, einmal im Jahr eine Inventur vor – sofern sie zur Bilanz verpflichtet sind. Einige nehmen die Prozedur aber auch freiwillig auf sich. Schließlich will man wissen, was alles vorhanden ist. „Stoffberge“ macht Inventur freiwillig: Nur Einzelkaufleute, deren Umsatz unter 600 000 Euro liegt oder deren Gewinn 60 000 Euro pro Jahr unterschreitet, müssen keine Inventur für ihren Laden vorlegen. Dazu gehören Cordula Fiege und Carina Voß, die in Peine im Winkel das Geschäft „Stoffberge“ betreiben. Dennoch haben sie sich entschieden, alles zu erfassen: „Uns gibt es seit fast 20 Jahren, und wir haben noch nie eine Inventur gemacht. Da wird es einfach Zeit. Und jetzt ist der Zeitpunkt günstig: Wegen Corona bieten wir zwar einen Abholservice und einen Onlineverkauf an, in den Geschäftsräumen ist aber kein Kundenverkehr. Und zum 1. Februar bekommen wir eine neue Kasse, mit deren Hilfe wir die Bestände dann genauer im Blick behalten können“, sagt Voß. Doch damit man diese Möglichkeit nutzen kann und die nächste Inventur einfacher wird, muss klar sein, was sich zurzeit im Laden befindet. Immerhin gilt es, den Überblick über rund 4000 verschiedene Artikel zu behalten. Unzählige Ballen Stoff warten auf nähfreudige Kunden: Das macht viel Arbeit: Etwa vier Wochen wird es insgesamt dauern, bis die Inventurlisten angelegt sind und alles erfasst ist, denn der Name „Stoffberge“ ist Programm: Von Jersey über Strick und Bündchen bis Patchworkware – unzählige Ballen Stoff warten auf nähfreudige Kunden, hinzu kommen Webbänder und Gummis, Schnittmuster und Näh-Zeitschriften, Kurzwaren und noch vieles mehr. Garnrollen, Reißverschlüsse und auch einzelne Knöpfe lassen sich zählen. Das ist zwar mühsam und zeitaufwändig, aber nicht sehr kompliziert. Doch wie wird ermittelt, wie viele Meter Stoff von welcher Sorte sich aktuell im Angebot befinden? „Die Patchwork-Stoffe haben alle nahezu dieselbe Qualität, deshalb können wir die Ballen einzeln wiegen und so die jeweilige Menge ermitteln“, erklärt Voß. Bei anderen Materialien geht das nicht, da werden dann die Wicklungen auf dem Ballen gezählt. Trotz des Aufwands mache die Inventur auch viel Spaß: „Es rückt so manches Schätzchen wieder ins Bewusstsein, das schon fast vergessen war. Wir bekommen wieder einen sehr guten Überblick darüber, was wir alles haben“, freut sich die Geschäftsfrau. Die Inventur ist eine Bestandsaufnahme sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden in einem Unternehmen. Dabei werden diese gezählt, gemessen oder gewogen. Bei einigen Inventarpositionen (zum Beispiel bei Darlehen oder Grundstücken) ist das nicht möglich. In solchen Fällen wird auf Dokumente der Buchhaltung zurückgegriffen. Die Bestandsaufnahme wird in der Regel einmal jährlich am Ende des Geschäftsjahres durchgeführt und schriftlich im Inventar festgehalten. Das Inventar ist ein Verzeichnis, das alle Vermögensgegenstände (dazu gehören Firmenwagen, aber auch Lagerbestände) und Schulden und andere Verbindlichkeiten eines Unternehmens auflistet. Es wird im Rahmen der Inventur aufgestellt und ist die Grundlage für den Jahresabschluss. Auch Steine müssen erfasst werden: Messen, wiegen und zählen heißt es dieser Tage auch beim Unternehmen Mühlbach Naturstein in Ohlum, das unter anderem Arbeitsflächen, Treppen, Fußbodenbeläge und Badezimmer mit Natursteinplatten versieht. „Wir sind zur Inventur verpflichtet“, sagt Marion Övermöhle-Mühlbach, die Ehefrau des Inhabers Berthold Mühlbach. Es werde zwar auftragsbezogen eingekauft und dementsprechend nicht im großen Stil gelagert. Da die Steinplatten aber in bestimmten Größen vertrieben werden, gibt es immer wieder Reste, die es sich aufzuheben lohnt. Bei der Inventur muss dann Stück für Stück aufgelistet werden, was sich jeweils auf dem Betriebsgelände befindet. „Wir messen tatsächlich jede einzelne Platte aus. Das geschieht aber nicht mehr mit dem Zollstock, sondern mit einem digitalen Messinstrument“, erklärt Övermöhle-Mühlbach. Lesen Sie auch Peine-Ticker: Aktuelle Corona-News und Nachrichten aus der Stadt Neue Homeoffice-Regeln: Was gilt ab heute 67-Tonnen-Bagger soll Peiner Hertie-Brache abreißen Reste, die nicht aufbewahrt werden, werden fachgerecht entsorgt. Dafür gibt es dann einen entsprechenden Nachweis. Am Ende müssen die Einkaufsmengen mit den verbauten Materialen, den Stücken am Lager und den entsorgten Posten überein stimmen. Durch die Corona-Zeit ist das Unternehmen bislang recht gut gekommen. Der Betrieb konnte aufrecht erhalten werden. Aufgrund der Größe der Werkstatt sei es möglich, Abstand zu halten. Zwar seien Beratungen vor Ort kaum möglich, das werde aber online erledigt. „Dadurch, dass so viel renoviert wurde, gehören wir sogar eher zu den Profiteuren“, sagt die Chefin. Von Kerstin Wosnitza