Herzberg: Fällarbeiten kurz vor Abschluss, 200 Bäume müssen weg

Motorsägen heulen, Sekunden später knarzt es, und die 30 Meter hohe Buche fällt. Ein Geräusch wie ein Donnerhall durchdringt den Herzberg. Der Wald bebt, als der 100 Jahre alte Baum auf den Boden kracht. Laub wirbelt in den grauen Januar-Vormittagshimmel. Insgesamt 200 Bäume werden im Stadtwald infolge anhaltender Trockenheit und Schädlingsbefall gefällt – und damit 70 mehr als ursprünglich geplant. Zu viele, beklagen Naturschützer und Nutzer. Gutachter und Forstamt sagen dagegen: Alles im grünen Bereich. Die Stadt Peine muss zwischen Naturschutz und ihrer Verkehrssicherungspflicht abwägen. Bäume werden mit Endoskop untersucht: „Schauen Sie mal hier“, sagt der von der Stadt Peine beauftragte Biologe Dr. Eckhard Denker und deutet beim Ortstermin auf die frisch gefällte Buche: „Eine Spechthöhle“. 25 Zentimeter weiter befindet sich noch ein zweiter Eingang. Mit einem Endoskop untersucht er akribisch den hohlen Stamm. Ergebnis: er ist leer. Der Specht, so Denker, suche sich häufiger ein neues Zuhause, das sei ganz normal. Gut möglich aber, dass in den Höhlen jetzt Eulen, Meisen oder Fledermäuse lebten. Das große Problem: Zuletzt hatte es großen Ärger um gefällte Habitatbäume gegeben, die besondere Lebensräume für Lebewesen bieten. Die von Denker untersuchte Buche allerdings musste wohl aus Sicherheitsgründen gefällt werden, zumal sie direkt an einem viel frequentierten Weg stand. Sie ist nicht nur teilweise hohl, der Stamm weist im unteren Bereich auch noch deutlich sichtbare bräunliche Verfärbungen auf. Ein Indiz dafür, dass die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Gutachter schauen Forstarbeiter über die Schultern: Was die Habitatbäume angeht, gibt auch Gutachter Günter Ratzbor ein Stück weit Entwarnung. Würden bei den Fällarbeiten im Herzberg Vögel oder andere Tiere in Baumhöhlen entdeckt, wüssten die Forstarbeiter was zu tun ist. Der Stamm würde dann gegebenenfalls wieder aufgerichtet und in die Erde eingegraben. Grundsätzlich würden die Bäume jedoch vor einem Eingriff genau begutachtet und dann entsprechend entschieden. Im Vorfeld waren 16 Bäume lokalisiert worden, die potenziell Habitate aufweisen könnten. Der für den Herzberg zuständige Förster Lutz Petersen sieht in den laufenden Arbeiten ebenfalls kein Problem. Trotz der Fällung von rund 200 Bäumen nehme der Baumbestand unter dem Strich immer noch zu. Pro Jahr wachsen im Stadtwald rund 255 Festmeter nach. Der gesamte Holzvorrat der etwa 31 Hektar großen Waldfläche liege laut Petersen bei rund 11 000 Festmetern – und damit 3300 Festmeter über der 2013 prognostizierten Erhebung. Die Tiere würden immer noch ausreichend Unterschlupf finden. Beim Fällen gehen weitere Bäume kaputt: Geplant sei zudem, das Kronenholz der gefällten Bäume im Wald zu belassen und damit eine natürliche Umgebung zu bieten. Dass jetzt rund 70 Bäume mehr als geplant gefällt werden müssen, liege daran, dass beim Fällen selbst weitere Bäume beschädigt werden, die dann wiederum auch wieder eine Gefahr darstellen würden. „Der Herzberg liegt dicht an der Wohnbebauung und wird daher sehr intensiv von Spaziergängern, Joggern und Fahrradfahrern genutzt“, erläutert Stadtbaurat Hans-Jürgen Tarrey beim Ortstermin: Da morsche und vertrocknete Äste von den Bäumen am Rand der Gehwege herunter fallen könnten, seien die Forstarbeiten erforderlich. Der Gutachter und der Biologe würden die Arbeiten dabei durchgängig dokumentieren. Das habe die Untere Naturschutzbehörde der Stadt so auferlegt. Kosten für Einschlag im fünfstelligen Bereich: Die Kosten für den Einschlag beziffert Tarrey auf eine fünfstellige Summe, der Erlös aus dem Verkauf des Stammholzes sei dabei schon einberechnet. Die gute Nachricht für alle Nutzer des Waldes: Die Forstarbeiten im Herzberg neigen sich allmählich dem Ende zu. Läuft alles planmäßig, könnten kommende Woche die ersten Wege am Rand der Kastanienallee wieder freigegeben werden können. „Dies wird aber auch von der weiteren Wetterentwicklung abhängen und ob die ausführende Firma sowie der Biologe durchgängig vor Ort tätig sein können oder ihre Arbeiten tageweise unterbrechen müssen“, sagt Stadt-Sprecherin Petra Neumann. Solange noch an einzelnen Stellen die Fällarbeiten laufen, müssten einige Wege noch gesperrt bleiben. „Anschließend wird noch ein Teil des Stammholzes abtransportiert und die Wege müssen wieder hergerichtet werden.“ Der Stadtwald ist bereits seit November komplett gesperrt. Von Michael Lieb

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