Fridays for Future in Peine: Politikforscher über die Proteste

Vor Corona zogen sie mit Bannern und Plakaten durch die Straßen, jetzt machen sie sich digital fürs Klima stark – und sie organisieren Proteste unter Beachtung der Hygieneauflagen. Ihre Forderung ist klar: Das 1,5-Grad-Ziel muss eingehalten werden. Die PAZ sprach mit dem Vechelder Politikwissenschaftler Professor Dr. Ulrich Menzel, weshalb die Bewegung auch auf Widerstand stößt und welche Zukunft die Aktivisten haben. Herr Menzel, die Aktivistin Greta Thunberg gilt als Gründerin von Fridays for Future. Das ist fast drei Jahr her. Wie hat sich die Bewegung entwickelt und was macht sie einzigartig? Ja, richtig. 2018 entstand die Bewegung, ein Jahr später war die Bewegung auf ihrem Höhepunkt mit einer weltweiten Resonanz, weil Klimaschutz eben ein globales Thema ist und sich nicht regional festmachen lässt. Es geht der Bewegung nicht nur darum, dass die Wirtschaft ökologischer handelt- sondern jeder einzelne von uns. Das Konsumverhalten wird hinterfragt, und auch die Themen Reisen und Mobilität. Von Fridays for Future fühlt sich jeder persönlich angesprochen. Mit dem Ausbruch der Pandemie wurde die Bewegung überlagert. Doch die Corona-Krise hat die Klima-Krise zum Teil auch verstärkt, beispielsweise nutzen wir lieber das Auto statt öffentlicher Verkehrsmittel oder bestellen online. Diese Reaktionen auf Corona sind ein Widerspruch zu den Zielen von Fridays for Future....ja, aber die Klimaziele 2020 wurden erreicht – auch infolge der Coronakrise. Sicher, aber nicht weil eine bewusste ökologische Aktivität eines Einzelnen dahinter stand. Sondern vielmehr, weil wirtschaftliche Aktivitäten heruntergefahren werden mussten, das führte zu weniger Emissionen und leistete einen Beitrag zu den Klimazielen. Es war keine bewusste Handlung, die von Fridays for Future forciert war. Nachhaltig handeln, das fordern bei Fridays for Future ja vor allem junge Menschen. Ist die Bewegung ein Spiegel der jungen Bevölkerung? Und wie homogen ist die Gruppe? Die Bewegung spiegelt nur zum Teil die Jugend wider, homogen ist die Bewegung aber. Aktiv sind die unter 20-Jährigen, meist besuchen sie ein Gymnasium und über 60 Prozent sind weiblich. Jugendliche aus bildungsfernen Schichten sind bei Fridays for Future kaum zu finden und sie fühlen sich auch weniger angesprochen. Der Grund: Es ist einfacher einen idealistischen Standpunkt einzunehmen, wenn man sich nicht mit den täglichen Problemen auseinandersetzen muss. Revolutionen werden in ihrer Gründungsphase mitunter ja auch nicht ernst genommen. Auch den Aktivisten und Aktivistinnen hat man vorgeworfen, sie würden nur die Schule schwänzen wollen. Weshalb haben es Protestbewegungen anfangs so schwer? Dafür gibt es drei Gründe. Erstens, stellen solche Bewegungen das Vertraute und Bequeme, wie die lieb gewonnene Luxusreise, in Frage. Zweitens, Fridays for Future ist Teil der neuen sozialen Bewegungen und damit im Konflikt zu den alten sozialen Bewegungen, wie Gewerkschaften, Sozialdemokratie und Genossenschaftsbewegungen. Deren Errungenschaften werden nun angezweifelt. Und drittens: Es gibt einen klassischen Generationskonflikt. Die Jugend begehrt sich in einem radikalen Idealismus gegen die Lebensleistung der Alten auf. Alle drei Gründe zusammen führen bei vielen älteren Menschen zu einem Widerstand gegenüber der Bewegung. Welche Zukunft hat Fridays for Future? Die strukturellen Probleme werden ja bleiben, es wird beispielsweise weiter Hitze-Wellen geben, auch wenn die Themen im Moment von Corona überlagert werden. Der Klimaschutz wird die politische Agenda wieder beherrschen. Und es wird jedes Jahr eine neue Schülergeneration dazu kommen. Die Bewegung wird wachsen. Aber es gibt noch einen Widerspruch, einen Konflikt innerhalb des kosmopolitischen Milieus der Globalisierungsgewinner, weil auch die Globalisierung die Emissionen steigert. Dieser Konflikt wird auch innerhalb der Familien dieses Milieus ausgetragen, wenn Kinder das Verhalten ihrer Eltern beanstanden. Lesen Sie dazu auch: Forderungen von Fridays for Future: Müssen wir uns das gefallen lassen? und Fridays for Future Peine: Das planen die Aktivisten zum Klimastreik-Tag. Von Nina Schacht