Flüchtlinge in Peine: Corona erschwert die Integration

Drei Tage vor dem ersten Lockdown kommen in Peine vier Flüchtlingskinder an. Ihr Vater (47) lebt bereits seit sechs Jahren in Deutschland. Doch seine Kinder können nur schwer Kontakte knüpfen, der Jüngste (15) besucht kurz die Schule im Wechselmodell, später soll er im Homeschooling lernen. Er würde gerne in einem Verein Fußball spielen, doch die Vereine sind dicht. Die Familie hat es schwer, sich in Peine zu integrieren. Das berichtet Christine Limböck, Sozialarbeiterin beim Caritasverband für den Landkreis Peine. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Carolin Dettmer kümmert sie sich um Migranten und Flüchtlinge in Peine. Angela Denecke vom Vorstand der Caritas spricht von „extrem schweren Bedingungen für Flüchtlinge und Migranten.“ Geschlossene Behörden: Wie bekommt man einen Pass? Es sind existenzielle Fragen, die an den Nerven zerren. Etwa, wo finanzielle Unterstützung zu bekommen ist, wenn die Behörden geschlossen sind. Oder auch, wie das Kind in der Schule angemeldet werden kann. „Es ist ein Kreislauf“, sagt Limböck, „Anmeldungen beim Einwohnermeldeamt, Schul-Anmeldungen, Anträge beim Jobcenter und Pässe müssen eigentlich persönlich beantragt werden“, berichtet die Sozialarbeiterin. Nur wie, wenn alles zu ist? Die Caritas-Mitarbeiter griffen zum Hörer, schickten Bilder von angekommen Flüchtlingen an die Ämter, legitimierten die Menschen. Doch Sprachbarrieren erschwerten die Situation. „Während Corona ist es leichter ein Auto umzumelden, als Geld für vier Kinder zu beantragen“, ergänzt Vorständin Denecke. Lesen Sie auch Peine: Wunschbaum-Aktion erfüllt Kinderwünsche Caritas Peine: „Zusammen leben – Zusammen wachsen“ Caritasverband Peine: Gerhard Nolte in den Ruhestand verabschiedet Homeschooling ohne W-LAN und Tablets: Ein weiteres Problem: Lernen im Homeschooling. „Internetzugänge fehlen, genauso wie Tablets“, so Limböck. In manchen Familien teilten sich mehrere Kinder ein Handy. Und: Nicht alle Eltern könnten ihre Kinder unterstützen. „Kinder, die geflüchtet sind, haben vor ihrer Ankunft in Deutschland mitunter jahrelang keine Schule besucht. Sie freuen sich darauf“, sagt die Sozialarbeiterin. Und dann stünden sie vor geschlossenen Türen. Und soziale Kontakte? Die eine beste Freundin oder den Kumpel treffen? Dafür müssten die Kinder gut integriert sein – und das erschwert Corona. Der Caritasverband ist montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr unter Telefon (05171) 700 333 erreichbar. Per Mail kann die Einrichtung unter info@caritas.de kontaktiert werden. Eine offene Sprechzeit findet während Corona nicht statt. Termine werden einzeln vergeben, so dass Klienten in der Einrichtung keinen Kontakt haben. Beratungen finden auch per Messenger oder Videotelefonie statt. Auf dem Außengelände der Caritas wurde ein Unterstand eingerichtet, so dass Beratungen auch draußen stattfinden können. „Wir möchten unsere Einrichtung offen lassen, die Menschen brauchen eine Anlaufstelle – auch während Corona“, sagt Angela Denecke vom Vorstand. Auch in der Gemeinschaftsunterkunft stehen die Bewohner vor Herausforderungen. Räumliche Enge bestimmt dort das Leben der Menschen: Einige Familien sind in eigenen Wohneinheiten untergebracht, „andere müssen sich Küche und Bad teilen“, berichtet Limböck. Die Zeiten in den Gemeinschaftsräumen müssen abgesprochen werden. „Und wir dürfen die Menschen momentan nicht vor Ort beraten“, so die Sozialarbeiterin. Laut dem Caritasverband des Landkreises Peine hielten sich im Jahr 2019 insgesamt 11 438 Migranten im Landkreis Peine auf. Davon haben 2 360 eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, 384 Menschen haben eine Aufenthaltsgestattung und 281 Personen eine Duldung. Hinzu kommt der Personenkreis, dem eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erteilt wurde. Neue Asylanträge wurden im Jahr 2019 insgesamt 522-mal gestellt, 42 Anträge wurden erneut gestellte. Von knapp 3200 abgeschlossenen Asylverfahren wurden 1130 abgelehnt. Die Statistik erhebt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Sprachkurse fallen aus – Integration wird erschwert: Das Leben als Flüchtling in Zeiten von Corona, es bedingt eine doppelte Abhängigkeit: „Ein Asylverfahren dauert manchmal mehr als zwei Jahre – das erfordert viel Geduld“, sagt Dettmer. Hinzu kämen die Beschränkungen wegen Corona – die Arbeitssuche wird erschwert, Sprachkurse finden nicht statt, ebenso nicht der Abschlusstest für Zuwanderer. „Wir können den Menschen nur sagen, dass sie Geduld haben müssen“, berichtet die Sozialarbeiterin. Das neue Leben muss warten. Von Nina Schacht