Experte: „Baumfällaktion im Peiner Herzberg hätte so nicht erfolgen dürfen“

Schwere Vorwürfe gegen die Stadt Peine erhebt der Umweltexperte und Naturschützer Dr. Reiner Theunert aus Hohenhameln: „Die Baumfällaktion im stadteigenen Herzberg hätte so nicht erfolgen dürfen“, erklärt Theunert. Die Rechtslage habe er Bürgermeister Klaus Saemann (SPD) bei einer Begehung Ende Oktober erläutert. Die Stadt weist die Vorwürfe entschieden zurück. „Der Bericht in der PAZ vom 3. Januar zeigt mir als seit 30 Jahren in der Umweltplanung selbstständig tätiger Sachverständiger, dass die Belange des Natur- und Artenschutzes wieder einmal nicht gebührend Würdigung fanden“, sagt Theunert. Seit 1992 gibt es die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union. Diese besage, dass unter anderem alle heimischen Fledermausarten streng geschützt seien, erläutert Theunert. „Deren Fortpflanzungsstätten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören“, sei nach dem Bundesnaturschutzgesetz verboten. „Solche Stätten können zum Beispiel Baumhöhlen sein, unter anderem Spechthöhlen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Baumhöhle gerade besiedelt ist, sondern der Schutz greift bei Fledermäusen grundsätzlich bereits dann, wenn die Tiere regelmäßig zu der Lebensstätte zurückkehren“, führt der Experte aus. Stehe nicht fest, ob eine Spechthöhle von Fledermäusen besiedelt ist, weil dies nicht kartiert worden sei, falle auch diese erst einmal unter den Verbots-Tatbestand. Dass nun ein „Fachmann mit Endoskop“ nachgeschaut habe, ob sich in den Hohlräumen Fledermäuse oder andere dermaßen geschützte Tierarten befinden, sei nachrangig. Der Hohlraum sei rechtlich als Fortpflanzungsstätte anzusehen und damit geschützt, bis bewiesen werde, dass er für die betreffenden Tierarten keine Fortpflanzungsstätte ist. Geschützte Tierarten nicht gefährden: Ausnahmen seien nach dem Bundesnaturschutzgesetz für die Forstwirtschaft dann gegeben, wenn das Vorkommen einer geschützten Tierart, beispielsweise durch das Baumfällen, nicht gefährdet werde. „Bedingung ist aber, dass der Erhaltungszustand der einzelnen lokalen Population bekannt ist. Ist nicht ermittelt, wer alles zu der lokalen Population gehört und ist nicht bekannt, in welchem Erhaltungszustand diese sich befindet, ist die Ausnahmeregelung nicht anwendbar. Es ist nicht einmal bekannt, welche Fledermausarten im Peiner Herzberg vorkommen“, betont er. Zum Argument der Verkehrssicherungspflicht erklärt Theunert, dass hier der Bundesgerichtshof den Rahmen bestimmt hat. „Mit waldtypischen Gefahren, wie dem Abbruch eines Astes, muss der Waldbesucher stets, also auch auf Wegen rechnen. Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich“, so der Experte. Diese Risiken gehörten „grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko“. Die Verkehrssicherungspflicht komme zum Tragen, wenn es beispielsweise um einen Straßenbaum gehe, von dem ein starker Ast abbrechen und auf die Kastanienallee oder die Sundernstraße fallen könnte. Ausnahmegenehmigung nötig: Theunert abschließend: „Es wäre daher Aufgabe der Stadt Peine gewesen, eine Ausnahmegenehmigung beim Landkreis Peine für das Fällen all der Bäume zu beantragen, die Fortpflanzungsstätte konkret für Fledermäuse sind oder nach heutiger Sicht sein könnten. Das ist aber nicht geschehen.“ Stadt weist Vorwürfe zurück: Dazu nimmt Stadtsprecherin Petra Neumann Stellung: „Die Stadt hat bei den Forstarbeiten und bei der Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht am Herzberg sowohl die juristischen als auch die biologischen und artenschutzrechtlichen Bedingungen im Vorfeld untersucht, sorgfältig bewertet und abgewogen und bei der Durchführung der Arbeiten eingehalten. Es mag sein, dass Herr Dr. Theunert eine andere Interpretation der einschlägigen Sach- und Rechtslage zu entwickeln versucht.“ Die Vorwürfe von Rechtsverstößen weise die Stadt jedoch entschieden zurück. Lesen Sie auch: Herzberg: Ex-Ratsherr kritisiert „überzogene Totalsperrung“ Sperrung dauert an: Kommt jetzt ein Gutachten für den Peiner Herzberg? Betreten des Peiner Herzberges vorübergehend verboten Herzberg: 132 Bäume müssen gefällt werden Von Jan Tiemann

Vorwürfe gegen die Stadt - Experte: „Baumfällaktion im Herzberg hätte so nicht erfolgen dürfen“