Arbeitskreis Stadtgeschichte präsentiert „Peiner Leben 1949“

Sie hätte eigentlich das Zeug für eine wahrhaft opulente Theater-Revue: Die sowohl reichhaltig-ergiebige als auch sehr kurzweilige Vortrags-Show der Arbeitsgemeinschaft Stadtgeschichte des Kreisheimatbundes Peine, die das Peiner Leben im Schicksalsjahr 1949 beschrieb. Viele Gäste kamen am Montagabend zum Vortrag ins Kreismuseum an der Stederdorfer Straße. Damals, als die Besatzungszeit in „Trizonesien“, wie Kabarettisten die westdeutschen Besatzungszonen spöttisch nannten, endete und das Grundgesetz in Kraft trat. Als Lebensmittelversorgung und Wohnungsnot auch in Peine äußerst misslich waren und jene, die meist nur sich und das nackte Leben aus den deutschen Ostgebieten nach Peine retten konnten, auf das, was man hier unter Gastfreundschaft verstand, angewiesen waren. Kurzweilige Vortragsabfolge: Dies und noch viel mehr unter dem historischen Brennglas schlaglichtartig und in kurzweiliger Vortragsabfolge dem Publikum im bis zum Gedränge besetzten Kreismuseum vorzustellen, waren die Rechercheure um Dr. Jens Binner, stellvertretender Vorsitzender des Kreisheimatbundes, angetreten und blätterten in den Kapiteln ihres imaginären, lokal bunt kolorierten Peiner Geschichtsbuches. Peter Baumeister berichtete beispielsweise von fußballerischen Höhenflügen des „SC 48“, der Fusion mit dem VfB Peine, Spielen gegen Schalke 04 oder Hannover 96 oder auch einem 21:0 gegen Stederdorf. Apropos Sport: Wer weiß schon noch, dass die ersten deutschen Nachkriegs-Schwimmmeisterschaften 1949 im Peiner Freibad stattfanden? Michael Utecht, emeritierter Stadtarchivar, hatte nicht nur diesen sporthistorischen Edelstein geborgen, sondern präsentierte ihn auf dem Tableau der damaligen Lebenssituation. Trotz schwierigster Lebensmittelversorgung wurden 1000 Athleten versorgt und untergebracht, das unzerstörte Bad auf den Besucherandrang vorbereitet und Notlagen gemeistert, die für heutige Stadionbratwurst-mit-Bier verwöhnte Zuschauer unvorstellbar sind. Apropos unvorstellbar: Der ehemalige Peiner Bürgermeister Michael Kessler erwähnte in seiner gesellschaftspolitischen Betrachtung unter anderem, dass es dem NS-Bürgermeister Dr. Wiard Bronleewe gelang, im Nachkriegs-Peine tatsächlich wiederum stellvertretendes Stadtoberhaupt zu werden. Unterlagen über dessen Gesamt-Wirken habe Kessler später trotz intensiver Nachsuche im Rathaus nicht auffinden können, fügte er vielsagend hinzu. Heimatkundliche Splitter: Ernste und bunte geschichtliche sowie heimatkundliche Splitter streuten die Stadtführerinnen Helga Brennecke und Gudrun Steffens zwischen die Vorträge und bedienten sich, wie die vielen anderen Referenten, aus Veröffentlichungen der Hannoverschen und Peiner Allgemeinen Zeitung, die in ihrer ersten Ausgabe am 1. Oktober 1949 versprach, täglich als „getreuer Spiegel“ ihre Leserschaft zu informieren. Beispielsweise auch über die Entwicklung der Kulturlandschaft, die Bernd Hoffmann ausführlich vorstellte. Man hörte, dass Schauspieler einst wegen unzureichender Hotelangebote kurzerhand beim Publikum auf dem Sofa campierten oder dass eine „kubanische Neger-Revue“ dem Peiner Publikum nicht zugemutet wurde. Ob Gewerkschaftsgründung, „Entflechtungsversuche“ der Ilseder Hütte oder die Gründung des Kreisfeuerwehrverbandes: Während der zweieinhalbstündigen bebilderten und detailverliebten Vortragsshow mit Wochenschau-Einlage ließen sich selbst moralische Bedenken mit einer Zeitungsnotiz wegwischen: Im März 1949 sei in Peine erstmals seit 121 Jahren kein uneheliches Kind geboren worden. Von Ulrich Jaschek

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