Tui in der Corona-Krise: Außerordentliche Hauptversammlung beim Reisekonzern

Nach der Zustimmung der Tui-Aktionäre zu einer Kapitalerhöhung ist die Zukunft des Reisekonzerns vorerst gesichert. Bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im Internet haben die Anteilseigner den Weg für weitere staatliche Finanzhilfen frei gemacht. Zudem kann die Tui bei Investoren zusätzliches Geld einsammeln. „Auch wenn wir mitten in einer weltweiten zweiten Corona-Welle stecken, sehen wir jetzt das Licht am Ende des Tunnels“, sagte Vorstandschef Friedrich Joussen am Dienstag in Hannover. „2021 wird ein Übergangsjahr, aber wir werden wieder mehr reisen können.“ Die Pandemie gefährdet die Existenz des Konzerns. Im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2019/2020 ist der Umsatz von 18,9 auf 7,9 Milliarden Euro eingebrochen. Unter dem Strich stand ein Verlust von etwa 3,1 Milliarden Euro. Für die laufende Wintersaison lagen die Buchungen zuletzt um 82 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Staat hat die Tui bereits dreimal unterstützt: Das Unternehmen musste zunächst zwei Kredite der KfW-Bank in Anspruch nehmen. Anfang Dezember verständigte man sich mit dem Bund sowie privaten Investoren und Kreditinstituten auf ein zusätzliches Finanzierungspaket im Gesamtvolumen von etwa 1,8 Milliarden Euro. Sperrminorität des Bundes? Teile des Hilfspakets sind auch eine Kapitalerhöhung um rund 500 Millionen Euro sowie neuerliche Kreditlinien der KfW über 200 Millionen Euro. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes unterstützt darüber hinaus den Touristikkonzern mit einer wandelbaren stillen Einlage von 420 Millionen Euro. Diese kann der WSF in eine direkte Beteiligung an der Tui in Höhe von bis zu 25 Prozent plus eine Aktie tauschen; dies entspricht einer Sperrminorität bei wichtigen Entscheidungen. Vorgesehen ist außerdem eine zweite, nicht wandelbare stille Beteiligung von bis zu 671 Millionen Euro. Sie könnte sich jedoch noch verringern, weil die Tui m it dem Land Niedersachsen über eine Bürgschaft in Höhe von angeblich 400 Millionen Euro verhandelt. Deren Konditionen seien offen, sagte Joussen. Das Vorhaben werde noch geprüft, erklärte ein Sprecher des Finanzministeriums in Hannover. Lesen Sie auch: Kommentar: Die Gewichte verteilen sich neu Durch die Kapitalerhöhung dürfte der Einfluss des russischen Großaktionärs Alexej Mordaschow in dem Konzern nochmals zunehmen. Der Stahlunternehmer hält bisher ein knappes Viertel der Tui-Anteile – künftig könnten es 36 Prozent sein. Die Beteiligungsfirma des Investors hat sich verpflichtet, bei der Ausgabe neuer Tui-Aktien ihre Bezugsrechte voll wahrzunehmen. Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin hat Mordaschow von einem Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre befreit, das normalerweise bei einem Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle fällig würde. „Die Menschen wollen reisen“: Der Tui-Vorstand ist zuversichtlich, die Corona-Krise ohne weitere Staatshilfen überstehen zu können. Ende November verfügte der Konzern nach eigenen Angaben über liquide Mittel von 2,5 Milliarden Euro. Von Januar bis März flössen monatlich 250 bis 300 Millionen Euro ab, um die laufenden Kosten zu decken, erklärte Joussen. Mit den Impfungen gegen das Coronavirus werde die Nachfrage nach Reisen jedoch wieder anziehen – und damit die Buchungen und entsprechenden Anzahlungen. „Die Menschen wollen reisen. Das ändert die Pandemie nicht – im Gegenteil.“ Von Jens Heitmann