Streit um Sparkonzept: Stadt und Land erhöhen den Druck bei der Messe

Im Konflikt um das Sparprogramm bei der Deutschen Messe erhöhen die Anteilseigner den Druck. Der Vorstand und die Arbeitnehmervertreter sollen sich bis Ende dieser Woche auf eine deutliche Senkung der Personalkosten verständigen – ansonsten könnten die erhofften Bürgschaften des Landes Niedersachsen und der Stadt Hannover für den benötigten Kredit in Höhe von 122 Millionen Euro gefährdet sein, hieß es nach einem Treffen bei Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), der auch Vorsitzender des Messe-Aufsichtsrates ist. Weil das Geschäft wegen der Corona-Pandemie darniederliegt, steuert die Messe auf hohe Verluste zu. Für das laufende Jahr werde bei einem Umsatz von 95 Millionen Euro ein Minus von 103 Millionen Euro erwartet, teilte das Unternehmen am Mittwoch nach einer Sitzung des Kontrollgremiums mit. Auch für die nächsten beiden Jahre kalkuliert man mit tiefroten Zahlen. Frühestens von 2023 an sei mit einer langsamen Erholung für die Branche zu rechnen, hieß es. Ohne Finanzhilfen müsse die Messe Insolvenz anmelden. Bürgschaftserklärungen müssen bis Jahresende vorliegen: Die Uhr tickt: Da die Anteilseigner Bürgschaften von zusammen etwa 96 Millionen Euro nur gemäß einer mit der EU-Kommission abgestimmten Bundesregelung übernehmen können, die Ende des Jahres ausläuft, müssen die entsprechenden Zusagen bis zum 31. Dezember vorliegen. Bürgen dürfen Land und Stadt in diesem Rahmen nur, wenn die Messe einen Businessplan vorlegt, der „eine wettbewerbsorientierte Fortführung“ des Unternehmens ermöglicht. Das vom Vorstand mit Unterstützung von Beratern der Boston Consulting Group vorgelegte „Zukunftskonzept“ sieht erhebliche Einsparungen beim Personal vor: Die Kosten sollen hier bis 2027 kumuliert um 172 Millionen Euro sinken. Erreichen will der Vorstand dieses Ziel unter anderem durch Kurzarbeit im nächsten Jahr, eine Verringerung der Wochenarbeitszeit im Jahr darauf, eine Reduzierung von tariflichen und übertariflichen Leistungen sowie Einschnitte bei den Führungskräften. Darüber hinaus soll die Zahl der Mitarbeiter bis zum Jahr 2027 – ohne Entlassungen – von aktuell 730 auf 480 sinken. „Die Zugeständnisse sind hart, aber zumutbar“, sagte Messe-Chef Jochen Köckler. Mit Ausnahme der Arbeitnehmervertreter haben alle Aufsichtsratsmitglieder dem Plan zur Neuausrichtung des Unternehmens zugestimmt. IG Metall sieht noch weiten Weg bis zur Einigung: Die IG Metall und der Betriebsrat halten die Sparpläne für überzogen. Sie sind nur bereit, auf längere Sicht 150 Stellen zur Disposition zu stellen. Um kurzfristig die Kosten zu senken, schlagen sie eine flexiblere Regelung von Kurzarbeit, einen Verzicht auf Aufstockungsbeiträge beim Kurzarbeitergeld sowie die Streichung übertariflicher Leistungen vor. Damit könne das Unternehmen seine Ausgaben in den nächsten vier Jahren um bis zu 60 Millionen Euro verringern, hieß es zu Beginn dieser Woche. Nach Einschätzung des Messe-Vorstandes reicht diese Summe nicht aus. Bei dem Spitzengespräch im Rathaus haben die Vertreter der Anteilseigner das Management und die Arbeitnehmervertreter aufgefordert, am Donnerstag und Freitag durchgängig zu verhandeln, um die Lücke zwischen den beiden Positionen zu schließen und damit die Basis für die mit Bürgschaften verbundene Finanzierung zu schaffen. „Wir sind zuversichtlich, eine Lösung in Sinne des Unternehmens und aller Mitarbeiter zu erarbeiten“, sagte Köckler. Bei der IG Metall äußerte man sich zurückhaltender. „Es ist noch ein weiter Weg bis zu einer Einigung“, sagte ein Sprecher. Lesen Sie auch: Kommentar: Bereitschaft zur Bescheidenheit hat gefehlt Deutsche Messe: IG Metall zu Einsparungen bereit – stellt aber Bedingungen Von Jens Heitmann