Zum Erfolg verdammt: Neuer Golf 8 soll VW das Massengeschäft sichern

Es war eine große Show. Vor etwas mehr als sieben Jahren entstieg ein gewisser Martin Winterkorn dem damals nagelneuen Golf 7 im Blitzlichtgewitter der Neuen Nationalgalerie in Berlin. VW hatte das berühmte Kunstmuseum angemietet, um mit viel Pomp und Pathos die jüngste Version seines Bestsellers vorzustellen. Seitdem wurden wesentliche Teile der Führungsriege ausgetauscht, „Dieselgate“ erschütterte nicht nur Volkswagen, die ganze Autowelt geriet in einen Umbruch. Heute bemüht man sich, im Auftreten bescheidener zu wirken. Weltpremiere in der Heimat: Die Manager kommen und gehen - der Golf bleibt. Statt eines opulenten Events in der Hauptstadt gibt es diesmal ein Heimspiel: An diesem Donnerstag, 24. Oktober, steigt die Weltpremiere im brandneuen hauseigenen Event-Center Hafen 1 in der Wolfsburger Autostadt, dem Auslieferungszentrum der Kernmarke. Bei der Ankündigung spart VW erneut nicht mit starken Worten. Eine „Ikone“ sei der Golf, nicht weniger als das „Herz der Marke Volkswagen“. Strategisch herausragend wichtig: Das Modell hat eine zentrale Funktion im gesamten Konzern. Einst führte der Golf 7 den Modularen Querbaukasten (MQB) als Plattform auch für andere Kompaktwagen ein – dank dieser Strategie gelangen Volkswagen beträchtliche Einsparungen und einheitliche technische Standards. Der 8er soll daran anknüpfen. „Die Produkteinführung der kommenden Golf-Generation ist neben der ID-Familie die strategisch bedeutsamste“, erklärte Markengeschäftsführer Ralf Brandstätter. Golf muss Hauptgeschäft sichern: Wenn die Elektroauto-Serie im November im umgebauten Werk Zwickau in die Produktion geht, steht viel auf dem Spiel. VW steckt Milliarden in die E-Mobilität, eine hinreichend hohe Nachfrage nach dem ID ist in längerer Frist allerdings noch nicht ausgemacht. Da muss der Golf als wichtigstes Massenmodell das klassische Hauptgeschäft absichern. Golf-Produktion wird in Wolfsburg gebündelt: Die Dimension, um die es geht, wird klar, wenn man sich alle Verkäufe seit dem Start der ersten Auflage 1974 ansieht: Weltweit wurde VW rund 36 Millionen Golf los. Besonders für den Stammsitz Wolfsburg hat der Golf eine riesige Bedeutung. Volkswagen führt nach dem Umbau des Werkes in Zwickau die Produktion des Golfs und aller seiner Derivate in Wolfsburg zusammen. Man stelle sich in der Produktion auf 450 000 Fahrzeuge jährlich ein, sagte jetzt Produktionsvorstand Andreas Tostmann. In Wolfsburg arbeiten 8400 Mitarbeiter ausschließlich am Golf. Software machte zunächst Probleme: Dass beim unverzichtbaren „Brot-und-Butter-Modell“ möglichst nichts schiefgehen darf, war bereits im Frühjahr deutlich geworden. Berichte machten die Runde, wonach es ausgerechnet bei der Software Qualitätsprobleme geben soll. Dabei bilden Assistenzsysteme und digitale Vernetzung im Golf 8 einen Schwerpunkt – wer, wie von Konzernchef Herbert Diess selbst angekündigt, „im Volumensegment neue Maßstäbe setzen“ will, sollte hier nichts anbrennen lassen. VW erklärte, dass es sich nicht um Fehler, sondern sogenannte „Tickets“ handele, die für jede Auffälligkeit im Entwicklungsprozess bewertet, analysiert und abgearbeitet werden – ein völlig normaler Vorgang im Entwicklungsprozess. Anlaufkurve liegt voll im Plan: Im April hatte der „Spiegel“ gemeldet, dass der Wagen zunächst in kleinerer Stückzahl produziert werden solle. Demnach geht der Golf 8 Ende des Jahres erst einmal nur mit abgespeckter Technik an den Start, einige elektronische Funktionen sollen erst später kommen. VW räumte eine flachere Anlaufkurve ein, der Golf liege mit dieser aber voll im Plan. „Ab Markteinführung Ende 2019 kann der Kunde seinen individuellen Golf konfigurieren, zu diesem Zeitpunkt werden wir auch die meisten Funktionen und Technologien anbieten. Zur Markteinführung werden wir zudem auch die volumenstärksten Motoren anbieten, einige Motor-Getriebe-Varianten werden etwas später einsetzen. Diese sogenannte Anlaufstaffelung haben wir bei fast allen neuen Modellen, beispielsweise auch beim Golf 7“, so eine Sprecherin auf WAZ-Nachfrage. Zukunftsweisende Funktionen: In puncto Digitalisierung soll der Wagen die Zukunft der Branche mit einläuten. Der Golf 8 ist ständig im Netz. Alle Instrumente sind digital, ein Infotainment-Display und Projektionen im Sichtfeld des Fahrers sollen Konkurrenten wie dem BMW 1er oder der A-Klasse von Daimler Kunden abjagen.Und weil die verschärften CO2-Ziele der EU vom kommenden Jahr an greifen, müssen die Verbrenner in dem Massenmodell effizienter werden als beim Vorgänger. Auch in dieser Hinsicht scheint Volkswagen beim Langzeit-Kassenschlager Golf also fast zum Erfolg verdammt zu sein. Von Steffen Schmidt / dpa

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