VW und IG Metall einigen sich auf Tarifvertrag für neue Car.Software-Organisation

Nach intensiven Verhandlungen haben sich die neu gegründete Car.Software-Organisation des Volkswagen-Konzerns und die IG Metall auf einen eigenständigen Haustarifvertrag geeinigt. Der neue Haustarifvertrag gilt für die deutschlandweit momentan rund 4000 Beschäftigten rückwirkend seit dem 1. Januar. Die IG-Metall spricht von einem „Stück Tarifgeschichte“. Und in der Tat stellt der Vertrag einen Meilenstein dar, werden doch erstmals die ganz speziellen Anforderungen im Bereich der Softwareentwicklung berücksichtigt. So werden dort unter anderem Regelungen geschaffen, die das Team stärken und zudem selbstbestimmtes sowie eigenverantwortliches Arbeiten in agilen Teams ermöglichen. Teams bestimmen über ihre Arbeitszeit: So kann auf Teamebene zum Beispiel gemeinsam mitentschieden werden, die tägliche Arbeitszeit befristet zu erhöhen, um ein bestimmtes Projekt abzuschließen. Danach gilt grundsätzlich eine 35-Stunden-Woche. Mit einer Wahlarbeitszeit zwischen 28 und 40 Stunden können Beschäftigten individuell davon abweichen. Eine vereinbarte Arbeitszeitbremse soll die durchaus branchenüblichen ausufernden Anforderungen an die Software-Entwickler verhindern. Lesen Sie auch E-Auto: VW will im Werk in Wolfsburg das Modell Trinity bauen Führungstrio der Wolfsburger IG Metall spricht über Tarifrunde, Transformation und Corona Car.Software-Organisation von Volkswagen sucht Digital-Experten Mit einem Recht auf Mobile Arbeit, 30 Urlaubs- und zehn Freistellungstage sowie einem Sabbatical-Modell, das sich an dem bei VW bereits implementierten Modell „Meine Auszeit“ orientiert, wird dem immer größer werdenden Wunsch nach mehr Work-Life-Balance weiter Rechnung getragen. Mit dem Vertrag wollen VW und IG Metall den Mitarbeiter die größtmögliche Balance zwischen der branchenüblichen Flexibilität und dem VW-typischen Schutz bieten – quasi das Beste aus zwei Welten. Was die Bezahlung angeht trennt sich VW von den im Unternehmen üblichen Lohnstufen. Stattdessen wird ein sogenanntes „kompetenzbasierten Entgeltsystem eingeführt“. Dieses orientiert sich an dem Impact, den die Arbeit des Einzelnen für Unternehmen und Konzern hat. So soll dass Vergütungssystem einfacher, übersichtlicher und transparenter werden. Ein 13. Monatsgehalt sowie eine Altersvorsorge gehören ebenfalls zum Paket. Beschäftigte können selbst Qualifizierungen auslösen: Die Mitbestimmung der einzelnen Teams innerhalb der Organisation wird zusätzlich dadurch gestärkt, dass sie künftig zum Beispiel Qualifizierungen selbst anstoßen und auslösen können. Damit sich der Haustarifvertrag zudem an die kontinuierlichen Veränderungen einer noch lernenden Organisation anpasst, ist außerdem vorgesehen, die Regelungen unter Einbeziehung der Beschäftigten in festgelegten Abständen zu prüfen und weiter zu entwickeln – ebenfalls eine Besonderheit in der Branche. Mit dem Vertrag betraten Volkswagen und die IG Metall im Prinzip komplettes Neuland. „Die Verhandlungen waren in vielerlei Hinsicht anspruchsvoll, da wir für eine neue Organisation, innerhalb einer für uns neuen Branche, mit mehreren Standorten deutschlandweit und markenübergreifend innerhalb kürzester Zeit einen neuen tariflichen Baustein setzen wollten“, erklärt Arne Meiswinkel, der die Gespräche für VW führte. Die seit August 2020 laufenden Verhandlungen waren dementsprechend lang, aber offenbar auch konstruktiv, wie die Reaktionen auf den Abschluss zeigen. „Kollektive Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung sind fester Bestandteil der DNA von Volkswagen. Ich freue mich daher, dass wir gemeinsam mit der IG Metall neue, zeitgemäße Wege für die tarifliche Gestaltung der agilen Arbeitswelt im Softwarebereich aufzeigen können. Diesen Weg werden wir nun mit Beschäftigten, Betriebsrat, Gewerkschaft und unseren Marken weiter gestalten“, sagte VW Personalvorstand Gunnar Kilian. Osterloh sieht klaren Vorteil im Kampf um Fachkräfte: Auch Betriebsratschef Bernd Osterloh lobte das Regelwerk: „Der IG Metall ist hier etwas Wegweisendes gelungen: Der Haustarifvertrag der Car.Software-Organisation kombiniert die nötige individuelle Flexibilität mit der bei uns erprobten kollektiven Stärke einer organisierten Belegschaft. Ich bin überzeugt, dass sich die Car.Software-Organisation im Ringen um Talente mit ihrem Haustarifvertrag einen klaren Vorteil verschafft hat. Das wird sich rumsprechen.“ IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger erhofft sich auch eine Strahlkraft des neue Vertrags auf die ganze Branche. Der Tarifvertrag zeige, dass gerade auch die moderne Arbeitswelt tarifliche Regelungen brauche. „Ausgliederungen müssen dazu führen, dass die neuen Unternehmen ebenfalls tarifgebunden sind. Nur das kann unsere Antwort darauf sein, wenn diese Unternehmen weiterhin die besten Beschäftigten haben wollen“, sagte Gröger. Für Martin Hofmann, Personalvorstand der Car.Software-Organisation, ist der neue Haustarifvertrag vor allem ein wichtiger Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsorientierung der Organisation auszubauen: „Im Zentrum des Tarifvertrags steht die kompetenzbasierte Vergütungssystematik. Der Fokus auf Kompetenzen hilft dabei, das bestehende Software-Know-how unseres Unternehmens weiter auszubauen und immer auf dem neusten Stand zu halten.“ Von Steffen Schmidt