Mit „Rückenwind aus Krisenjahr“: VW will zurück zu alter Stärke

Volkswagen will in den kommenden Jahren unter anderem mit dem Ausbau der Plattformstrategie möglichst früh wieder zu alter Gewinnstärke zurückfinden. Der Konzern strebe eine weitere Verbesserung der Profitabilität an und verfolge das Ziel, schnellstmöglich in den Zielkorridor von 7 bis 8 Prozent für die operative Umsatzrendite zurückzukehren, hieß es bei der Jahrespressekonferenz am Dienstag in Wolfsburg. Vergangenes Jahr war die Rendite vor Zinsen und Steuern auf den Umsatz bezogen wegen der Corona-Krise auf 4,8 Prozent eingebrochen. Dieses Jahr peilt das Management 5,0 bis 6,5 Prozent an. 2020 war die operative Konzernrendite von 6,7 auf 4,3 Prozent gefallen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr sanken die Konzernerlöse von VW um knapp zwölf Prozent auf 222,9 Milliarden Euro – und der operative Gewinn um 43 Prozent auf 9,7 Milliarden Euro. Schon Ende Februar hatte der Konzern erste Eckdaten bekannt gegeben. Dank eines starken zweiten Halbjahrs war den Konzern allerdings noch die Wende geglückt. So stand zur Jahresmitte noch ein Verlust von 1,49 Milliarden Euro zu Buche. Als Stabilitätsanker erwies sich dabei einmal mehr das China-Geschäft. Dort erholte sich der Markt deutlich schneller als im Rest der Welt. So konnten die Verluste bei den Auslieferungen noch in Grenzen gehalten werden, sind aber 9,31 Millionen Fahrzeugen gegenüber fast 11 Millionen im Vorjahr aber immer noch beträchtlich. Volkswagen spricht von gutem Ergebnis: Dennoch überwog bei VW am Dienstag die Freude über das angesichts der Umstände gute Ergebnis. „Im Jahr 2020 hat der Volkswagen Konzern erneut seine Robustheit unter Beweis gestellt, trotz der andauernden Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie. Mit unserem operativen Ergebnis wir die Erwartungen aus der ersten Hochphase der Pandemie im Frühjahr 2020 deutlich übertroffen“, sagte der scheidende Konzernfinanzvorstand Frank Witter. „Das gute Abschneiden im Krisenjahr 2020 gibt uns Rückenwind für die Beschleunigung unserer Transformation“, betonte auch Vorstandschef Herbert Diess. Die läuft schließlich auf Hochtouren: In diesem Jahr will VW bereits 1 Million E-Fahrzeuge verkaufen, zusätzlich stellte der Konzern schon am Montag eine neue Batteriestrategie vor und auch in Sachen Software sind in den kommenden Jahren massive Investitionen geplant. Lesen Sie auch Neue Batteriestrategie: Volkswagen baut sechs Zellfabriken in Europa Accelerate: Das sagen VW-Mitarbeiter zur neuen VW-Zukunftsstrategie Strategie "Accelerate": VW will zum softwaregetriebenen Mobilitätsanbieter werden Für 2021 geht der Volkswagen Konzern insgesamt von einer deutlichen Belebung seines Geschäfts gegenüber dem Vorjahr aus. Unwägbarkeiten bilden dabei aber sowohl die Corona-Pandemie als auch die Halbleiter-Problematik. „Die Situation ist noch immer unübersichtlich“, sagte Diess. „Bisher kommen wir gut durch, haben aber auch eine Produktion von 100 000 Autos verloren, die wir im Jahresverlauf wohl nicht komplett aufholen werden können.“ Frank Witter fügte an: „Wir werden die Auswirkungen im Zaum halten, aber das wird uns das ganze Jahr beschäftigen.“ VW will Fixkosten beträchtlich senken: Für die Folgejahre strebt der Volkswagen Konzern eine weitere Verbesserung seiner Profitabilität an und verfolgt das Ziel, schnellstmöglich in den Zielkorridor von 7 bis 8 Prozent für die operative Umsatzrendite zurückzukehren. Dazu beitragen soll verstärkte Kostendisziplin. Die Fixkosten sollen bis 2023 gegenüber einem Stand von 2020 um rund 2 Milliarden Euro beziehungsweise 5 Prozent sinken. Bei den Materialkosten wird bis dahin eine Reduzierung um 7 Prozent angestrebt. Für die F&E- und die Sachinvestitionsquote im Automobilbereich plant der Konzern bis 2025 eine Absenkung auf jeweils rund 6 Prozent – ausdrücklich ausgenommen vom Sparzwang sind Investitionen in die Zukunftsthemen, machte Witters Nachfolger Arno Antlitz deutlich. Darüber hinaus sollen stärker konzernweit Synergien gehoben werden. Im Zentrum dieses Plans steht die Ausweitung der Plattform-Strategie auf Zukunftstechnologien wie Software, Batterien, das Laden von E-Autos und Mobilitätsdienste. Dadurch sollen Komplexität abgebaut werden und die Kosten weiter sinken. Indem Hardware, Software, Batterietechnik und Laden sowie Mobilitätsdienste aller Konzernmarken künftig auf weitgehend einheitlichen technischen Grundlagen basieren werden, sollen Größenvorteile von Europas größtem Autobauer besser genutzt werden und weitere Kosteneinsparungen zwischen den Marken möglich werden. Plattform-Roadmap soll Synergien heben: „Elektrifizierung und Digitalisierung verändern das Auto schneller und radikaler als je zuvor. Für beide Themen sind Skaleneffekte absolut entscheidend. Mit unserer Plattform-Roadmap werden wir das volle Potenzial unseres Konzernverbunds noch besser ausschöpfen. Wir bündeln die Kräfte unserer starken Marken und können so Zukunftstechnologien noch schneller skalieren und für möglichst viele Menschen verfügbar machen“, kommentiert Diess die neue Strategie. Eine Plattform-Lösung für das Thema „Laden“ hatte Volkswagen bereits am Montag mit der Einheitszelle angekündigt. Beim Thema Hardware ist VW mit den MEB- und MQB-Baukästen zwar bereits gut aufgestellt, künftig soll die neue SSP-Plattform, die erstmals im Audi-Projekt-Artemis zur Anwendung kommen soll, die Idee allerdings noch weiter auf die Spitze treiben: In Zukunft sollen alle Fahrzeuge des Konzerns auf der SSP-Plattform entwickelt werden. Was die Software angeht, entwickelt die Car-Software-Organisation derzeit das eigene Betriebssystem VW.OS, dass ebenfalls markenübergreifend zum Einsatz kommen soll. Von Steffen Schmidt