Siegfried-Ringer in Salzgitter-Bad bilden „Stützpunktverein Integration“

Auch ohne Training und Siegerehrung hat der KSV Siegfried einen Titel gewonnen, der für viele mehr wert sein dürfte als manch eine Meisterschaft oder Aufstieg. Der Klub aus der Ost- und Westsiedlung in Salzgitter-Bad darf sich nun „Stützpunktverein Integration“ nennen. Ihm ist mit der Aufnahme in das Bundesprogramm ein wahrlich großer Wurf gelungen. Als der KSV-Vorstand die positive Nachricht durch den Landessportbund Niedersachsen erhielt, war die Freude bei den Ringern groß. Bereits im Frühsommer 2020 hatte sich der Traditionsverein aus dem Quartier um die Aufnahme in das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ und um die Anerkennung als Stützpunktverein beim Landessportbund beworben. „Wir wussten, dass die Konkurrenz groß sein wird“, sagt KSV-Vize Murat Yavuz. Zusammen mit dem PSV Uelzen wurde der Klub erstmalig ins Programm aufgenommen und darf sich unter den mehr als 9.000 Sportvereinen in Niedersachen nun als einer von insgesamt 31 Integration-Stützpunkten nennen. „Es ist für unsere ehrenamtliche Integrationsarbeit seit den Gründungstagen des KSV Siegfried eine großartige Auszeichnung“, stellt Vereinsvorsitzender Heinrich Wojczyk fest und ergänzt, dass nun geplante Projekte durch die Förderung des Bundesprogramms angeschoben werden und in den nächsten Jahren etabliert werden können. Schon die Gründerväter des Ringervereins waren Neuankömmlinge im Harzvorland. Sie kamen als Facharbeiter mit dem Unternehmer Anton Raky in die Region und brachten ihren Sport aus dem Rheinland mit. Durch die hohe Zuwanderung in der Stadt war der Ringerverein schon immer für zahlreichen Menschen aus aller Welt ein erster Anlaufpunkt. In vielen Herkunftsländern der Neuankömmlinge ist der olympische Ringkampf nicht nur Volks-, sondern auch Nationalsport. So besitzt der Verein von je her einen großen Vertrauensvorschuss. Nur selten bestehen Berührungsängste und der Schritt in die Trainingshalle ist keine unüberwindbare Hürde. Dem KSV ist es gelungen, mit Hilfe des KSB fünf Sportler mit Migrationshintergrund 2019 zum DOSB-Lizenztrainer-C-Leistungssport ausbilden. Damit ist der Verein sehr breit aufgestellt. In der Sporthalle der Eikelschule in der Helenenstraße sind die Siegfriedringer seit den 1950er-Jahren beheimatet. Dabei haben sie sich immer wieder auf Veränderungen und neuen Aufgaben im Quartier eingestellt. Die Jahre 2015 und 2016 stellten dabei eine besondere Herausforderung dar. Zum einen galt es den wettkampf- und leistungsorientierten Trainingsbetrieb bei den Senioren aufrecht zu erhalten, zum anderen standen die Türen der „Eikelarena“ für alle Interessierten offen. „Mit einem Kraftakt gelang der Spagat und in der Nachbetrachtung hat der Verein durch die neuen Mitglieder profitiert“, wissen die Verantwortlichen heute. Außer der Anerkennung als Stützpunktverein unterstützt das Bundesprogramm klar definierte Projekte des KSV. Zurzeit liegt der komplette Sportbetrieb wegen der Corona-Pandemie auf Eis, künftige Angebote können nicht angegangen werden. Wie auch in anderen Sportklubs herrscht eine gewisse Unsicherheit, wie sich das Vereinsleben nach einer Lockerung der Restriktionen erholt. Auf Seiten des KSV ist man sich sicher, dass die letzten Monate nur schwer zu kompensieren sein werden. Durch die Förderungen der Projekte sollte der Neustart den Ringern im Quartier aber leichter fallen. Ganz oben auf der Agenda steht das Mädchen-Ringen, das etabliert werden soll. Der KSV nennt dies „eine besondere Herausforderung im Quartier mit dem kulturellen Hintergrund der Neubewohner“. Er will Kooperationen mit Schulen suchen und unter der Überschrift „Ringen und Raufen“ das bestehende Angebot des Eltern-Kinder-Sportes ausbauen. Und noch einen Wunsch wollen sich die KSV-Mitglieder eines Tages erfüllen: eine eigene Sporthalle. Denn die veränderte Arbeitszeiten, Lebensgewohnheiten und immer mehr Ganztagsschulen lassen sich an die starren Trainingszeiten kaum anpassen. Neben dem Sport und der bis jetzt geleisteten Integrationsarbeit hat der Verein seine Kompetenzen nach eigenen Worten noch nicht voll ausgeschöpft. „Es fehlt an einem geschützten Raum für Gespräche und einem Austausch mit und zwischen den Familien“, heißt es. Dafür sei eine Schulsporthalle nur sehr bedingt geeignet. Dem Integrationspunkt fehlt nur noch ein echter Treff- und Anlaufpunkt, nicht nur für die Aktiven, sondern auch für ihre Familien. Von Roland Weiterer