Schlachthöfe: Blockiert Niedersachsen Reformen in der Fleischindustrie? Die Grünen warnen

Vom kommenden Jahr an sollen Werkverträge in der Fleischindustrie weitgehend verboten werden. Ab dem 1. Januar 2021 dürften dann nur noch Betriebsangehörige Tiere schlachten und zerteilen. Das hat die Bundesregierung nach massenhaften Corona-Infektionen von Schlachthofmitarbeitern beschlossen. Doch in der großen Koalition in Niedersachsen gibt es offenbar Vorbehalte gegen die geplante Regelung. Vor dem Fleischgipfel am Freitag im Wirtschaftsministerium haben die Grünen die Landesregierung davor gewarnt, die Abschaffung der Werkverträge zu torpedieren. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat ihre Teilnahme abgesagt. „Ausbeutung von Mensch und Tier“: „Das System Werkvertrag dient nachgewiesenermaßen der Ausbeutung von Mensch und Tier und muss beendet werden“, sagte Grünen-Fraktionsvize Miriam Staudte am Mittwoch. Die rot-schwarze Landesregierung müsse den Beschluss, im Kernbereich der Fleischindustrie Werkarbeit ab 2021 zu verbieten, „ohne Wenn und Aber“ unterstützen. „Wir nehmen wahr, dass die Lobby sehr stark dagegen agitiert“, sagte Staudte. Der Geschäftsführer der NGG-Region Oldenburg/Ostfriesland, Matthias Brümmer, kündigte an, dass er nicht am Fleischgipfel von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) teilnehmen werde. In der Fleischindustrie würden seit 20 Jahren Werkverträge missbraucht, kritisierte Brümmer. Und seit 20 Jahren mache die NGG auf „die Entwicklung und Verwerfungen in der Branche“ aufmerksam. Trotz vieler Konferenzen und Runder Tische sei aber nichts geschehen. Vom Wirtschaftsminister habe man bisher nicht viel gehört, wenn es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gehe. 22.000 Werkvertragsarbeiter: Niedersachsen ist neben Nordrhein-Westfalen der größte Fleischproduzent in Deutschland. Alleine in der Fleisch- und Schlachtindustrie in Niedersachsen arbeiten bis zu 22.000 Werkvertragsbeschäftigte. Sie kommen zumeist aus Osteuropa und werden von Subunternehmen vermittelt – und nach Ansicht der NGG auch ausgebeutet. Die geplante Abschaffung der Werkverträge stößt bei der Fleischindustrie auf massiven Widerstand. So hatte unter anderem der Landesverband der niedersächsischen Geflügelwirtschaft damit gedroht, Schlachthöfe ins Ausland zu verlagern. Begründet wird das unter anderem mit dem hohen Druck der Discounter, die die Einkaufspreise für Fleisch gesenkt hätten. Gewerkschafter Brümmer hält das aber für unwahrscheinlich, weil Deutschland in dieser Branche ein Billiglohnland sei und die Deutschen ungern Fleisch aus dem Ausland kaufen würden. „Abzocke mit schrottreifen Immobilien“: Grünen-Fraktionsvize Christian Meyer machte auf ein weiteres Problem der Branche aufmerksam, bei dem sich Opposition und Koalition allerdings schon angenähert haben: die größtenteils miserable Unterbringung der Beschäftigten. Er sei erfreut, dass die Landesregierung nun selbst ein Wohnraumgesetz in den Landtag einbringe, sagte Meyer. Es müsse aber auch für die Wohnungen von Werkvertragsarbeitern gelten. Der „Abzocke“ und dem „Vermieten von schrottreifen Immobilien“ an Schlachthofmitarbeiter müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Lesen Sie auch: "Hart aber fair" über Schlachthöfe: Bundesarbeitsminister Heil im TV-Talk zu Billigfleisch und Fleischindustrie Nach Corona-Ausbruch: Fleischbetrieb in Dissen arbeitet probeweise wieder Darum wird Aldi seine Billigfleisch-Strategie kaum durchhalten können Pfarrer Kossen zur Fleischindustrie: „Das ist moderne Sklaverei” Von Marco Seng

Schlachthöfe - Blockiert Niedersachsen Reformen in der Fleischindustrie? Grüne und Gewerkschaft warnen