Niedersachsen: Weil fordert eine Pflicht zum Homeoffice

Vor den anstehenden Verhandlungen der Länder mit dem Bund über weitere Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Infektionen hat sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für eine Pflicht zum Homeoffice ausgesprochen. „Die Zahl der Neuinfektionen ist nach wie vor zu hoch. Lockerungen stehen nicht an, sinnvolle Ergänzungen der bisherigen Maßnahmen sind denkbar. Besonders wichtig: Wir brauchen die Pflicht zu mehr Homeoffice“, erklärte Weil auf seiner Facebook-Seite. Weil hält es allerdings für nötig, dass der Bund dieses regelt – „und zwar auf dem Verordnungswege“, wie er gegenüber der SPD-Mitgliederzeitschrift „Vorwärts“ erklärte. Vor allem den ÖPNV im Blick: Regierungssprecherin Anke Pörksen bestätigte diesen Kurs, den sich Weil so vorstellt: „Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssten dann darlegen, warum welche Bereiche definitiv nicht ins Homeoffice gehen können. Gleichzeitig könnten diese Betriebe und Institutionen durch eine Flexibilisierung der täglichen Anfangszeiten ihre Beschäftigten auffordern, den ÖPNV in den Stoßzeiten zu entlasten.“ Parallel dazu müsse sichergestellt werden, dass auch bei einem weiteren Rückgang der Fahrgastzahlen durch mehr Homeoffice und wenig Schulbesuch keine Busse oder Bahnen aus dem Betrieb genommen werden, sondern im Gegenteil das ÖPNV-Angebot eher noch ausgeweitet werde. Das, so Weil, würde dann zu mehr Abstand und mehr Sicherheit im ÖPNV führen. Lesen Sie auch Niedersachsen will keine Ausgangssperre – aber eine Verlängerung des Lockdowns Weils Staatskanzleichef Jörg Mielke hatte zuvor in einer Sondersitzung des Sozialausschusses im niedersächsischen Landtag darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zum Beginn der Pandemie im März vergangenen Jahres jetzt sehr viel weniger Menschen im Home-Office arbeiteten. Eine Pflicht zum Home-Office erscheint daher der niedersächsischen Landesregierung jetzt angebracht. Mielke betonte außerdem, dass Niedersachsen bei den Beratungen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung für eine Verlängerung des derzeitigen Lockdowns bis zum 14. Februar eintreten, sich aber gegen Ausgangssperren etwa in Abend- und Nachstunden aussprechen werde. Althusmann warnt vor Homeoffice-Zwang: Weils Stellvertreter im Ministerpräsidentenamt, Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, warb weiter für freiwillige Lösungen und warnte zugleich vor einer Verpflichtung der Unternehmen. „Arbeiten von zu Hause ist nicht in allen Branchen gleichermaßen möglich, dass sollte die Ministerpräsidentenkonferenz trotz der dynamischen Infektionslage nicht ausblenden und einen Rechtsanspruch auf Homeoffice jetzt nicht durch die Hintertür einführen“, sagte Althusmann der HAZ. „Mit der Umsetzung einer Homeoffice-Pflicht wären ein hoher Kontrollaufwand, aufwändige Nachweispflichten und damit weitere Bürokratie verbunden. Das sollten wir der Wirtschaft gerade jetzt nicht noch zusätzlich aufbürden. Womöglich könnten weitere steuerliche Anreize die Homeoffice-Möglichkeiten erweitern.“ Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) bezeichnete Weils Kurswechsel als unverständlich. „Ich halte diesen Vorschlag für unangemessen. Er wird den Anstrengungen, die Industrie und Wirtschaft seit geraumer Zeit mit ihren Abstands- und Hygienemaßnahmen unternommen haben, überhaupt nicht gerecht – von vielen Fragen der praktischen Umsetzung ganz abgesehen.“ Arbeitsplätze nicht als Infektionsherd diffamieren! Auch Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall hält steuerliche Anreize statt Zwang für geboten. Er wies auf die erheblichen Anstrengungen hin, die in der Wirtschaft bereits für trotz Corona sichere Arbeitsplätze geleistet worden seien. „Viele Unternehmen kämpfen derzeit ums nackte Überleben. Eine Homeoffice-Pflicht würde die angespannte Situation nur noch weiter verschärfen. Das ist keine verantwortungsvolle Politik“, erklärte Schmidt, der ebenfalls auf zahlreiche praktische Probleme aufzählte, die Weils Vorschlag aufwerfe. Zudem: „Einen Generalverdacht, den Arbeitsort als „Infektionsherd“ zu diffamieren, lehnen wir entschieden ab - hierfür liegt keine wissenschaftliche Evidenz vor!“ Der Vorschlag greife auch in den Kernbereich der Grundrechte der Wirtschaft ein, die Maßnahme könne eine Klagewelle lostreten, warnte Schmidt. Von Michael B. Berger