Niedersachsen: Evangelische Landeskirche verliert Zehntausende Mitglieder

Die evangelischen Kirchen haben noch vor der Corona-Pandemie unerwartet viele Mitglieder durch Austritt verloren. So stieg die Zahl der Austritte in der hannoverschen Kirche im vergangenen Jahr um 16,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in ganz Deutschland sogar um 22 Prozent. Allein der hannoverschen Landeskirche, die mit 2,48 Millionen Mitgliedern die größte evangelische Kirche in Deutschland ist, kehrten im vergangenen Jahr 30.413 Mitglieder den Rücken. Warum die Zahlen so gestiegen sind, weiß die Präsidentin des Landeskirchenamtes, Stephanie Springer, auch nicht. „Wir zeichnen die Entwicklung anderer großer Institutionen nach.“ Wiedereintritte gleichen den Saldo nicht aus: Mit den Sterbefällen hat die hannoversche Landeskirche nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 50.586 Mitglieder verloren. 3457 Menschen traten im vergangenen Jahr in die Kirche ein, etwas weniger als im Jahr zuvor. 20.179 Menschen wurden zu Christen getauft. „Dass wir insgesamt etwas besser liegen als der Bundesdurchschnitt, ist auch kein wirklicher Trost“, meinte Springer. Aber man müsse schlicht zur Kenntnis nehmen, dass man auch mit guter Arbeit nicht gegen den Mitgliederschwund ankomme. Die Auswirkungen der Corona-Krise drücken sich in den neuesten Zahlen noch nicht aus. Sie haben vor allem finanzielle Folgen. So werden Kurzarbeit und Verdienstausfälle der evangelischen Landeskirche in diesem Jahr ein Defizit bescheren, das Finanzdezernent Rolf Krämer mit 75 Millionen Euro beziffert. Eine bereits geschaffene Risikorücklage sowie eine verhängte Haushalts- und Wiederbesetzungsperre sollen für Ausgleich sorgen. Hannovers Landesbischof Ralf Meister appelliert, sich von den Zahlen nicht deprimieren zu lassen. „Unsere Aktien, die gehandelt werden, stehen nicht im Dax. Gott garantiert für die Rendite.“ Auch bei den Katholiken viele Austritte: Auch im katholischen Bistum Hildesheim sind 2019 die Austrittszahlen stark gestiegen – von 7018 Austritten im Jahr 2018 auf 8048 Austritte im vergangenen Jahr. Mit den Todesfällen von Katholiken sank die Mitgliederzahl im vergangenen Jahr um 11.900 im Vergleich zum Vortjahr. Derzeit zählt das norddeutsche Bistum, das von Dudestadt im Süden bis Cuxhaven im Norden reicht 581.460 Mitglieder. Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer sagte, ihn betrübten die Austritte sehr. „Sie signalisieren, wie sehr sich getaufte Menschen von unserer Kirche entfremdet haben.“ Sicherlich seien auch viele Menschen durch die „zahlreichen Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch“ von der Kirche enttäuscht, meinte Wilmer. Lesen Sie auch Zahl der Kirchenaustritte immer höher – Stadtsuperintendent Höflich plädiert für Gottesdienste am Nachmittag Von Michael B. Berger