Vor dem Hintergrund des muslimischen Opferfestes, das in diesen Tagen gefeiert wird, ist in Niedersachsen erneut eine Debatte um das Schächten entbrannt. Die CDU-Landtagsfraktion will das Ausblutenlassen von lebenden Tieren nur noch erlauben, wenn diese vorher betäubt wurden. Das hat die Fraktion in dieser Woche einstimmig beschlossen. Der Koalitionspartner SPD forderte, künftig keine Ausnahmen vom betäubten Schächten mehr zuzulassen – und sieht dabei Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) in der Pflicht. Derzeit ist das Schächten in Niedersachsen mit einer Ausnahmegenehmigung auch ohne Betäubung möglich.
CDU will notfalls vor Gericht um Tierwohl kämpfen
„Das Wohl unserer Mitgeschöpfe liegt uns am Herzen. Auch bei rituellen Schlachtungen aus religiösen Gründen darf das Tierwohl nicht in den Hintergrund treten“, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer der HAZ. Tiere müssten künftig vor dem Schlachten betäubt werden. „Halāl und Betäubung schließen sich nicht aus.“ Die CDU-Fraktion hat laut Toepffer das Agrarministerium gebeten, ein Verbot des betäubungslosen Schächtens in die Wege zu leiten. „Und zum Wohl der Tiere muss man dies in letzter Konsequenz zur Not auch vor Gericht ausfechten“, erklärte der CDU-Fraktionschef.
„Das Schächten eines Tieres ohne Betäubung wollen wir nicht“, sagte auch Karin Logemann, Agrarexpertin der SPD-Landtagsfraktion, der HAZ. Da sei die Haltung der SPD ganz klar. „Man muss das mit der Religionsfreiheit in Einklang bringen.“ Bei den Religionsgemeinschaften setze sich aber mehrheitlich eine moderne Sichtweise durch, die auf Schächten ohne Betäubung verzichte. Logemann forderte Agrarministerin Otte-Kinast auf, die „letzte Lücke“ zu schließen.
Otte-Kinast will mit Religionsgemeinschaften reden
Sie nehme die Kritik an der in Niedersachsen erteilten Ausnahmegenehmigung für das betäubungslose Schächten „sehr ernst“, erklärte Otte-Kinast am Mittwoch – und kündigte einen Dialog mit den Religionsgemeinschaften darüber an. „Mit der elektrischen Kurzzeitbetäubung steht bereits jetzt eine Methode zur Verfügung, die das tierschutzgerechte Schächten ermöglicht“, betonte die Ministerin.
Anlässlich des Opferfestes wird seit Jahren von einer kommunalen Veterinärbehörde in Niedersachsen jeweils eine Ausnahmegenehmigung erstellt. Um welche Behörde es sich dabei handelt, teilt das Agrarministerium nicht mit – angeblich aus Datenschutzgründen. Die AfD, die das von Muslimen und Juden praktizierte Schächten von Tieren komplett verbieten will, klagt beim niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg auf Herausgabe dieser Information.
Bis zu 200 Schafe und Ziegen dürfen geschächtet werden
Die Ausnahmegenehmigung sei in diesem Jahr auf maximal 200 Schafe beziehungsweise Ziegen begrenzt, erklärte das Agrarministerium. Ein generelles Verbot sei rechtlich nicht zulässig. Es müsse immer zwischen Tierwohl und Religionsfreiheit abgewogen werden. Sämtliche genehmigten Schlachtungen ohne Betäubung müssten unter der amtlichen Aufsicht eines Tierarztes erfolgen, um einen schonenden Umgang mit den Tieren, das ausreichende Fixieren, den sachgemäßen Schächtschnitt und die Schlachtung durch Personen mit Sachkunde zu gewährleisten.
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Von Marco Seng