Koalition in Niedersachsen streitet um Arbeitsbedingungen in Fleischindustrie

Die teilweise schlechten Arbeits- und Wohnbedingungen für Werkvertragsarbeiter in der Fleischindustrie in Niedersachsen werden sich so schnell nicht ändern. Ein „Fleischgipfel“ am Freitag, zu dem Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) eingeladen hatte, brachte keinen Durchbruch. Zumal die rot-schwarze Koalition in der Frage zerstritten ist. Althusmann lehnte ein generelles Verbot von Werkverträgen für nur eine Branche erneut ab. Das forderte dagegen Sozialministerin Carola Reimann (SPD) vehement. Althusmann gegen generelles Verbot: „Die Notwendigkeit, die vorhandenen Missstände zu beseitigen, wurde von allen Teilnehmern betont“, sagte Althusmann (CDU) nach der Videokonferenz. Einen notwendigen Systemwechsel hätten auch die Vertreter der Fleischbranche nicht grundsätzlich abgelehnt. „Ich unterstütze den Kurs der Bundesregierung für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft – bei einem generellen Verbot von Werkverträgen für nur eine Branche bin ich aber aus verfassungsrechtlichen Gründen weiterhin skeptisch“, sagte Althusmann. Sozialministerin Reimann (SPD) sprach sich dagegen für das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angestrebte Verbot von Werkverträgen für die Branche aus. „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ein Verbot dieser Beschäftigungsverhältnisse in der Branche notwendig ist, um die systematischen Probleme in diesem Bereich zu beseitigen.“ Hunderte Corona-Fälle in Schlachthöfen: Heil hatte nach Hunderten Corona-Fällen in Schlachthöfen und Zerlegebetrieben ein „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ angekündigt, das unter anderem ein Verbot von Werkverträgen ab dem 1. Januar 2021 und höhere Geldbußen bei Verstößen vorsieht. Das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch sollen künftig nur noch durch Arbeitnehmer des eigenen Betriebes zulässig sein. Unternehmen und Verbände der Fleischwirtschaft hatten die geplante Neuregelung scharf kritisiert und mit Abwanderung ist Ausland gedroht. Davor warnte am Freitag Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). „Eine Verdrängung der Fleischwirtschaft aus Deutschland bewirkt keine Verbesserung für Mensch und Tier“, sagte Otte-Kinast der HAZ. Eine „Anpassung der Praxis der Werkverträge“, die dazu führe, dass zukünftig gerecht entlohntes und sehr gut qualifiziertes Personal auf niedersächsischen Schlachthöfen zum Einsatz komme, sei aber zu begrüßen. Opposition kritisiert Ausbeutung: Die Opposition kritisierte die Haltung der Landesregierung. Grünen-Fraktionsvize Miriam Staudte warf Althusmann vor, das geplante Verbot von Werkverträgen zu torpedieren. Er wolle am bisherigen System der Ausbeutung in der Schlachtindustrie festhalten. Die FDP rügte, dass die Koalition einen gemeinsamen Beschluss des Landtags zur Verbesserung der Zustände in den Schlachthöfen bisher nicht umgesetzt habe. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatte die Teilnahme an dem Gipfel im Vorfeld abgesagt. Althusmann kündigte weitere Gespräche noch vor der Sommerpause an. Dann soll auch die NGG wieder eingeladen werden. Lesen Sie auch: Blockiert Niedersachsen Reformen in der Fleischindustrie? „Hart aber fair“ über Schlachthöfe: Bundesarbeitsminister Heil zu Billigfleisch und Fleischindustrie Pfarrer Kossen zur Fleischindustrie: „Das ist moderne Sklaverei“ Von Marco Seng

Schlachthöfe - Mehr Arbeitsschutz in Niedersachsens Fleischindustrie nicht in Sicht