Haben Pfleger Bewohner in Celler Heim übel misshandelt?

Polizei und Staatsanwaltschaft befassen sich mit den Zuständen in einem Celler Alten- und Pflegeheim. In der Einrichtung, in der auch demente Patienten betreut werden, sollen alte Menschen misshandelt worden sein. Pflegekräfte sollen sie fixiert und in ihren Exkrementen liegen gelassen haben. Bilder aus der Celler Einrichtung gelangten anonym auch an die niedersächsische Pflegekammer, die die Heimaufsicht einschaltete. „Die Bilder zeigen Szenen, die es so nicht geben dürfte“, sagt Tino Schaft, Sprecher der Pflegekammer. Bewusst immobil gemacht? Auf den Bildern soll unter anderem einen Mann zu sehen sein, der mit einer Decke so festgebunden war, dass er sich kaum bewegen konnte. Auf einem anderen Bild sei die klaffende Wunde eines Patienten zu sehen, dem der Unterschenkel amputiert worden war. „Der Stumpf sah echt desolat aus und hatte auf den ersten Blick eine völlig unangemessene Wundversorgung“, sagt Markus Mai, Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, dem die Bilder zugeschickt worden sind. „Es sind dramatische Bilder“, betont Mai. Pflegekräfte hätten berichtet, dass die ohne richterlichen Beschluss unerlaubte Praxis des Fixierens üblich gewesen sei in der Einrichtung, erklärt Mai weiter. „Mir liegen Chats vor, nach denen doppelt und dreifach Knoten gemacht worden sind, damit sich Patienten nicht mehr bewegen können“, sagt der Pflegefachmann. Die Leute seien immobil gemacht worden, damit sie den ganzen Tag über im Bett liegen, habe es in einem anderen Chat geheißen. „Das kann man doch nicht dulden“, sagt Mai, der seine Kollegen in Niedersachsen informiert hat. „Das ist nicht unsere Philosophie“: Auch der Betreiberin der Alteneinrichtung, Claudia Muus, sind nach eigenen Angaben die Bilder zugetragen worden. „Es ist scheußlich“, sagt Muus, Inhaberin von vier Altenheimen sowie ambulanten Hilfsdiensten, die etwa 500 Patienten in Celle betreuen. Als ihr Mitte Mai die „ganz schlimmen“ Zustände bekannt geworden seien, habe sie Strafanzeige gestellt und drei der 50 Mitarbeiter des Heimes fristlos entlassen. Auch Angehörige der Patienten hätten Strafanzeigen gestellt. Das, was in dem Heim geschehen sei, entspreche überhaupt nicht der „Philosophie“ der Einrichtung, in der derzeit 53 Patienten lebten, betont Muus. 23 der Bewohner seien dement und in Zweibettzimmern untergebracht. Polizei ermittelt gegen Urheber der Fotos: Zu dem Bild von dem amputierten Mann sagt Muus, er sei von einer anderen ebenfalls zur Muus-Gruppe gehörenden Einrichtung in das Pflegeheim gekommen, weil er tatsächlich immer wieder auf seinen Stümpfen laufe. Behauptungen, man habe die Patienten bewusst in ihren Exkrementen liegen lassen, weist die Chefin des Pflegeheimes zurück. Die Polizei in Celle bestätigt, dass Anzeigen eingegangen seien. Ermittelt worden sei allerdings nicht wegen der möglichen Misshandlung von Patienten, sondern wegen der „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs“ – also wegen der Fotos, die aus der Einrichtung in Umlauf gebracht worden sind. Pflegende haben Angst, gefeuert zu werden: Die Pflegekammer in Niedersachsen ist nach Worten ihres Sprechers Schaft höchst alarmiert über die angeblichen Misshandlungen. „Es müssen Mechanismen entwickelt werden, wie man solchen Zuständen möglichst schnell nachgehen kann, was nicht einfach ist.“ Denn oft habe das Pflegepersonal, das von solchen Zuständen berichte, Angst, gefeuert zu werden. Auch Angehörige schwiegen demnach oft, weil sie Repressalien für die Patienten befürchteten. Lesen Sie auch Fachkräftemangel: Notstand in der Pflege Eigenanteil für Platz im Pflegeheim klettert in Niedersachsen auf 1500 Euro im Monat: Sozialministerin Reimann fordert Steuerzuschuss für Pflege Von Michael B. Berger