Corona-Impfungen in Niedersachsen: So soll das Tempo steigen

Niedersachsen will im Kampf gegen das Coronavirus das Impftempo erhöhen. Künftig soll in den Impfzentren an sieben Tagen in der Woche geimpft werden. Zudem sollen bis Ende März rund 5000 Hausarztpraxen in die Impfkampagne eingebunden werden. Das kündigte Vizeministerpräsident Bernd Althusmann (CDU) am Freitag in einer Regierungserklärung im Landtag an. Der Wirtschaftsminister musste Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vertreten, der sich nach einem Coronafall in der Staatskanzlei in Quarantäne befindet. Während Weil vermutlich zu Hause in Hannover die Debatte am Bildschirm verfolgte, nutzte Althusmann die Gunst der Stunde, erstmals bei einer Corona-Debatte im Landtag im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Der CDU-Politiker hielt sich nicht an die für Weil aufgeschriebene Rede, sondern setzte vor allem mit seinen Forderungen nach weiteren Lockerungen für Handel und Gastronomie eigene Akzente. Was zu einem leichten Murren in den Reihen des Koalitionspartners SPD führte. Baumärkte und Einzelhandel öffnen: Bei Baumärkten und Einzelhandel müsse man noch vor dem 22. März nachsteuern, sagte Althusmann. Viele Händler seien in einer Existenzkrise. „Es geht darum, den Gesundheitsschutz und die Wirtschaft in ein angemessenes Verhältnis zu bringen.“ Der Wirtschaftsminister verteidige die beschlossenen Lockerungen. Besonders Kinder und einsame Menschen litten sehr unter der Pandemie und bräuchten mehr Kontaktmöglichkeiten. „Nerven liegen blank“: Althusmann zeigte Verständnis für die Kritik an der Corona-Politik von Bund und Ländern. „Bei vielen Menschen in unserem Land liegen die Nerven blank.“ Die Bürger hätten viel getragen und viel ertragen. Eine Pandemie lasse sich aber nur mit den Menschen und nicht gegen die Menschen bekämpfen. Lesen Sie auch Corona in Niedersachsen: Das sind die neuen Regeln Schulen und Kitas in Niedersachsen: Mehr Corona-Lockerungen? Corona in der Region Hannover: So hoch ist die Inzidenz (Stand 04.03.2021) Die Landesregierung will weitere Lockerungen durch mehr Schnelltests und Impfungen möglich machen. „Wir wollen, dass an allen Tagen – auch am Wochenende – geimpft wird“, sagte Althusmann. Das Sozialministerium habe deshalb jetzt Ziele für Impfzentren formuliert. „Das sind wir den Bürgern schuldig.“ Das Land wolle zudem „die Kapazitäten der Arztpraxen“ stärker nutzen. „Auf diese Weise können wir das Tempo bei den Impfungen deutlich beschleunigen.“ Behrens kündigt Impfpakt an: Die neue Sozial- und Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) kündigte kurz nach ihrer Vereidigung im Landtag am Freitag einen „Impfpakt“ für Niedersachsen an. Sie wolle zeitnah alle beteiligten Akteure an einen Tisch holen, um vermeintliche Hürden auf allen Seiten abzubauen und für Niedersachsen einen „Impfpakt“ zu schmieden, erklärte Behrens. „Wir brauchen die Kraft aller Beteiligten, damit die Impfungen gegen das Virus landauf und landab schnell passieren.“ Die Ministerin nannte die Kommunen, die niedergelassenen Ärzte sowie die Hilfs- und Katastrophenschutzorganisationen. Die Wirtschaft in Niedersachsen fordert mehr Tempo bei den Corona-Impfungen, um schnell aus dem Lockdown herauszukommen. Die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) wollen dabei aktiv mithelfen. „Wir können auf die Erfahrung bei der Impfung von Beschäftigten über Betriebsärztinnen und Betriebsärzte aufbauen“, sagte UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller der HAZ. Es werde kostbare Zeit verschwendet, wenn dieses Potenzial nicht genutzt werde. Müller zeigte sich verärgert über das SPD-geführte Gesundheitsministerium. „Wir brauchen Tempo beim Impfen, gerade bei uns.“ Niedersachsen sei trauriges Schlusslicht bei der Zweitimpfungsquote. „Zigtausende Impfdosen von Astrazeneca sollen ungenutzt herumliegen, teilweise sogar einzelne Dosen vernichtet worden sein.“ Das sei eine unerträgliche Vorstellung, während Menschen lieber heute als morgen geimpft werden wollten. „Ich habe wirklich die Nase voll.“ Müller warnte vor fatalen Folgen falscher Teststrategien. Bei 300 Beschäftigten führe eine Falschpositivrate von nur drei Prozent zu neun positiven Fällen. Diese müssten dann einen PCR-Test machen und in der Zwischenzeit mit all ihren Kontakten in Quarantäne. „Damit kann eine Baustelle oder die Produktion schnell lahmgelegt werden.“ Ministerpräsident Weil hatte Behrens als Nachfolgerin von Carola Reimann (SPD) vorgeschlagen, die das Amt am Montag mitten in der Corona-Krise überraschend aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte. Der Landtag stimmte der Ernennung mit den Stimmen von SPD und CDU zu, die Grünen enthielten sich, die FDP votierte gegen sie. Althusmann durfte erstmals eine Ministerin ernennen. Behrens war von 2013 bis 2017 bereits als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium tätig und zuletzt Abteilungsleiterin im Bundesfrauenministerium. Opposition: Land verspielt Vertrauen: Die Opposition warf der Regierung in der Aussprache zur Regierungserklärung eine planlose und zögerlich Corona-Politik vor. Niedersachsen brauche dringend eine Schnellteststrategie und mehr Tempo beim Impfen, sagte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner. „Aktuell ist nicht der Impfstoffmangel das Problem, sondern die Unfähigkeit, ihn an die Menschen zu bringen.“ Der FDP-Politiker kritisierte, dass die Einbindung der Hausärzte viele zu lange dauere. Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg sprach von „Trödelei“ in der Krise. Die Menschen seien zermürbt, weil die Maßnahmen der Landesregierung „fern ab sind von der Realität von Familien, von Kindern und Jugendlichen“. Schnelltests habe Niedersachsen viel zu spät bestellt. Die AfD-Abgeordneten im Parlament sprachen von einer gescheiterten Politik der Landesregierung. Von Marco Seng