Wenn jemand vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verfolgt werde, müsse dies "nach rechtsstaatlichen Prinzipien in Deutschland und Europa" bewertet werden, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Pro Asyl erwartet, dass Wissenschaftler und Intellektuelle aus der Türkei ins Ausland gehen.
Scheuer sagte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner", nach dem deutschen Asylrecht habe "jeder Anspruch auf individuelles Asyl". Erdogan trete die Grundrechte, die Menschenrechte und die Pressefreiheit mit Füßen. Jetzt müsse Druck auf die Türkei ausgeübt werden, forderte er. "Denn so kann es nicht weitergehen, wie man in der Türkei mit dem Rechtsstaat umgeht."
Pro Asyl: Entlassungen und Verfolgungen existenzvernichtend
Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl erwartet, dass die Zahl der Asylsuchenden aus der Türkei bald deutlich ansteigt. "Die Entlassungen und Verfolgungen bedeuten für viele praktisch eine Existenzvernichtung, sagte Bernd Mesovic von Pro Asyl der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" vom Freitag.
Die frühere Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte unbürokratische Hilfe. "Die Bundesregierung sollte schnell türkischen Wissenschaftlern in Deutschland Aufenthaltsstatus gewähren", sagte die FDP-Politikerin dem Düsseldorfer "Handelsblatt".
Nach dem gescheiterten Putschversuch geht die Regierung von Präsident Erdogan massiv gegen angebliche Gegner vor. Seit dem Umsturzversuch wurden zehntausende Staatsbedienstete festgenommen, entlassen, suspendiert oder versetzt, darunter Soldaten, Polizisten, Staatsanwälte, Richter und Regierungsmitarbeiter, aber auch Universitätsdozenten und Lehrer. Am Mittwochabend hatte Erdogan nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats für drei Monate den Notstand verhängt.
Zahl türkischer Asylbewerber noch niedrig
Bislang ist die Zahl türkischer Asylbewerber in Deutschland recht niedrig. Im vergangenen Jahr registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 1767 entsprechende Anträge, im ersten Halbjahr wurde allerdings mit 1719 bereits eine ähnlich hohe Zahl erreicht. Viele der Antragsteller sind Kurden.
Die Grünen bekräftigten ihre Forderung nach Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens zwischen Türkei und EU. Es diene in erster Linie der Abschottung vor Flüchtlingen "und wird damit Menschenrechten und dem individuellen Recht auf Asyl in keinster Weise gerecht", erklärte Parteichefin Simone Peter. Dass die Türkei nun auch noch die Europäische Menschenrechtskonvention ausgesetzt habe, mache endgültig deutlich, "dass die Türkei kein sicherer Drittstaat ist, in dem Flüchtlinge ausreichend Schutz und Rechte finden".
afp/dpa/RND