Erstmal kann der französische Präsident Nicolas Sarkozy durchatmen. Die Rentenreform ist vom Parlament definitiv verabschiedet. Arbeitsminister Eric Woerth, der im Zusammenhang mit der Bettencourt-Affäre in den Verdacht politischer Mauscheleien geraten war, hat sein Werk vollendet. Die Proteste scheinen allmählich auszulaufen. Die Schüler, die zur Radikalisierung der Proteste beigetragen haben, sind erstmal in den Herbstferien. Sarkozy kann sich künftig als souveräner Staatschef darstellen, der die schmerzliche, aber nötige Reform erfolgreich durchgesetzt hat.
Ganz so rosig ist das Bild aber nicht. Die Opposition hat bereits eine Verfassungsbeschwerde angekündigt. Ein Teil der Gegner ist entschlossen, den Protest fortzusetzen. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine französische Regierung ein Gesetz nach Protesten auf der Straße wieder zurückzieht. In manchen Gewerkschaften setzt sich die eigene Basis durch, die weiter protestieren will. Für diesen Donnerstag ist erneut ein Aktionstag mit Streiks und Demos geplant. Anfang November soll es einen weiteren geben.
Die anhaltenden Proteste machen einmal mehr deutlich, dass es vielen Franzosen nicht nur darum geht, in welchem Alter sie in Rente gehen können. In den Demos der vergangenen Wochen kommt auch eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Politik Sarkozys zum Ausdruck. Ein Graffiti „Sarko raus“ prangt seit kurzem auf der Statue der Marianne, dem französischen Nationalsymbol, auf dem Pariser Platz der Republik. Allerdings sorgt man sich auch um das eigene Bild im Ausland: Streiks und Demos fanden viele noch sinnvoll, aber die jugendlichen Randalierer, die Benzinknappheit infolge der Blockaden und die Müllberge in Marseille brachten viele Franzosen in Rage.
Sarkozy wird jetzt als nächstes seine Regierungsmannschaft wechseln. Im März hatte er die Kabinettsumbildung das erste Mal angekündigt und den Medien damit ein Thema hingeworfen, das sie monatelang intensiv beschäftigte. Offen ist noch, ob Premierminister François Fillon bleiben wird oder nicht. Einerseits macht er einen guten Job, andererseits wäre ein Wechsel ein Symbol für einen Neustart mit Blick auf die nächste Präsidentschaftswahl 2012.
Auf den ersten Blick hat sich Sarkozy im Rentenstreit durchgesetzt. Die Reform ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern recht harmlos. Sie hebt das Mindestalter für die Rente von 60 auf 62 Jahre an. Wer nicht lange genug Beiträge zahlt, soll erst mit 67 statt wie bisher mit 65 die volle Rente bekommen. Für Mütter zahlreicher Kinder und besonders hart Arbeitende gibt es Sonderregelungen.
Aber mit seinem Regierungsstil hat Sarkozy vermutlich dennoch viele Wähler vergrätzt. Da er die Reform im Schnellverfahren durchgesetzt hat, bleibt bei vielen der Eindruck zurück, sie sei ohne große Rücksicht auf die Sorgen der Bevölkerung durchgepeitscht worden. Die Rechnung könnte Sarkozy 2012 bekommen - in Form eines massiven Stimmenschwunds.
dpa