Der Mann hat die Militärkaderschmiede West Point besucht, ist im Vietnamkrieg gewesen und hat in vier Jahrzehnten als Beamter allen US-Regierungen seit Ronald Reagan gedient. William Taylor gilt als amerikanischer Vorzeigediplomat. Doch seit Dienstag ist der geschäftsführende US-Botschafter in Kiew der wohl gefährlichste Belastungszeuge für Donald Trump in der Ukraine-Affäre.
Seine Aussage belege „präzise den Missbrauch der präsidialen Macht, den unsere Gründerväter fürchteten“, urteilte nicht nur Bill Weld, der Ex-Gouverneur von Massachusetts, der Trump als republikanischer Gegenkandidat bei den Präsidentschaftswahlen herausfordern will.
Acting Ambassador Bill Taylor’s testimony today outlines precisely the abuse of presidential power the Founders feared when they drafted the Impeachment Clause of the Constitution. There is nothing equivocal about making national security contingent upon personal political gain.
— Gov. Bill Weld (@GovBillWeld) October 22, 2019
Zehn Stunden lang hatte der 72-jährige Taylor, der erst im Mai dieses Jahres von US-Außenminister Mike Pompeo reaktiviert und in die Ukraine entsandt worden war, im Kongress ausgesagt. Die Anhörung war geheim, weshalb sich die Teilnehmer zum Inhalt nicht äußern dürfen. Doch das 15-seitige Eröffnungsstatement des Diplomaten fand bald den Weg an die Öffentlichkeit. Es beschreibt detailliert und mit der Spannung eines Politthrillers, wie Taylor in den Wochen nach seiner Berufung schockiert erkannte, dass die Politik Washingtons gegenüber der Ukraine von „Koppelgeschäften, Korruption und Wahlmanipulation“ geprägt war.
Der ukrainische Präsident sollte Ermittlungen bei CNN verkünden
Die Aussage zerstreut die letzten Zweifel daran, dass Präsident Trump die Auszahlung der fest zugesagten Militärhilfen von knapp 400 Millionen Dollar für die Ukraine davon abhängig machte, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und dessen Sohn Hunter anordnet, der im Verwaltungsrat eines ukrainischen Gaskonzerns saß. Selenskyj müsse die Eröffnung der Ermittlungen in einem Fernsehinterview mit dem US-Sender CNN verkünden, soll das Weiße Haus laut Taylor gefordert haben.
Bald nach seiner Ankunft in Kiew bemerkte der konservative Karrierediplomat, der von 2006 bis 2009 schon einmal als Ukraine-Botschafter gewirkt hatte, dass unter Trump ganz neue Saiten aufgezogen wurden: „Es gab zwei Kanäle der US-Politik – einen regulären und einen vorschriftswidrigen.“ Während die Botschaft immer mehr an den Rand gedrängt wurde, gab eine Truppe um Trumps persönlichen Anwalt Rudy Giuliani, den in dem Affärenstrudel inzwischen zurückgetretenen Energieminister Rick Perry und den amerikanischen EU-Botschafter Gordon Sondland den Ton an.
Trump glaubt, dass die Ukraine „ihm etwas schuldet“
Anfangs verstand Taylor nicht, weshalb diese Schattendiplomaten die Militärhilfe zurückhielten und er über das brisante Telefonat von Trump mit Selenskyj nur kursorisch unterrichtet wurde. Doch dann erfuhr er, dass der US-Präsident das Geld nicht auszahlen wolle: „Botschafter Sondland erklärte mir, dass Präsident Trump ein Geschäftsmann ist. Bevor ein Geschäftsmann jemandem einen Scheck ausstellt, der ihm etwas schuldet, würde er verlangen, dass diese Person bezahlt.“
Neither he (Taylor) or any other witness has provided testimony that the Ukrainians were aware that military aid was being withheld. You can’t have a quid pro quo with no quo.” Congressman John Ratcliffe @foxandfriends Where is the Whistleblower? The Do Nothing Dems case is DEAD!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 23, 2019
Die Schilderung belegt das erpresserische Koppelgeschäft, das Trump seit Wochen bestreitet. „Es ist nicht länger fraglich, ob das stattgefunden hat. Die Frage ist, wie Trump das erklärt“, schreibt die „Washington Post“.
Trump reagierte am Mittwoch bemerkenswert defensiv: „Weder Taylor noch irgendein anderer Zeuge haben bewiesen, dass die Ukrainer vom Zurückhalten der Militärhilfe wussten“, zitierte er bei Twitter einen Parteifreund. Also könne es auch kein „Quid pro quo“ geben – kein unerlaubtes Koppelgeschäft.
Führende Republikaner hielten sich öffentlich zunächst zurück. Doch Brian Kilmeade, dem Moderator von Trumps Lieblingssendung „Fox & Friends“, dämmerte, dass die juristischen Probleme seines Idols in dem von den Demokraten vorangetriebenen Impeachment-Verfahren größer sind, als dieser glaubt: „Er kann da nicht einfach durchmarschieren. Vielleicht braucht er doch eine gebündelte professionelle Hilfe.“
RND
So funktioniert das Impeachment-Verfahren
Von Karl Doemens/RND