Für ein Kriegsspiel ist Schach eigentlich recht harmlos. Pädagogen sind überzeugt, dass es Konzentration und Geduld fördert, vorausschauendes Denken und Rechenfähigkeit, aber auch Sozialkompetenzen: Fairplay, aus Fehlern lernen und sich in die Lage des anderen versetzen.
Großmufti Scheich Abdulaziz Al al-Sheikh aber hält das für Unsinn. Seiner Meinung nach ist das schöne Spiel nicht mit dem Islam vereinbar: "Schach ist verboten", antwortete der oberste islamische Gelehrte Saudi-Arabiens in einer Fernsehsendung auf die Frage eines Zuschauers.
Für Geistliche war es Zeitverschwendung
Obwohl (oder weil?) es ein völlig rationales Spiel ist, haben religiöse Oberhäupter immer wieder ihre Probleme mit dem Königsspiel. Schon im Mittelalter beklagten sich Geistliche beim Papst, Priester und Mönche würden ihre Zeit am Brett vergeuden. Auch mancher Rabbi hielt nichts vom Figurenschieben.
Der Islam dagegen gilt neben Indien als eine der Wiegen des Schachs, aus der arabischen Welt kam es einst nach Europa. Inzwischen gibt es jedoch viele islamische Gelehrte, die den Wert des Spiels bezweifeln: Es gehöre zwar nicht zu den Glücksspielen, die generell verboten sind, sei aber allemal Zeitverschwendung, halte die Gläubigen also vom Beten und anderen wichtigen Dingen ab. Außerdem fördere es nicht Fairplay, sondern Rivalität und Feindschaft. Und schließlich könne man auf das Ergebnis Wetten abschließen, was Muslimen nicht erlaubt sei.
Angeblich aus Liebeskummer erfunden
Schachspieler könnten ihrerseits darauf verweisen, dass es sogar eine Schachgöttin gibt: Caissa. Sie verdrehte einst dem Gott Mares den Kopf, der aus Liebeskummer das Schachspiel erfunden haben soll. Allerdings wird die schöne Caissa auf Gemälden meist sehr leicht bekleidet dargestellt, was ihrer Glaubwürdigkeit bei Glaubenshütern schaden könnte.
Der saudische Großmufti, der einst schon Barbiepuppen verbot, dürfte sich von Nymphen erst recht nicht beeindrucken lassen. Für ihn bleibt Schach "das Werk Satans". Sein Urteil ist jedoch kein Gesetz, sondern gilt eher als Richtschnur für Strenggläubige. Die saudischen Schachfans jedenfalls wollen weiter beten und Schach spielen: Die "New York Times" berichtet, dass gestern ausgerechnet in der heiligen Stadt Mekka ein Schachturnier beginnen sollte.
Von Udo Harms