Zwei Mütter: Lesbisches Paar aus dem Kreis Hildesheim kämpft um Anerkennung als Eltern

Sie hatten so gehofft, dass noch alles rechtzeitig klappt. Ein Entwurf für das Gesetz lag vor. Die Anhörung der Länder und der Interessengruppen hatte stattgefunden. Und wenn der Zeitplan eingehalten worden wäre, hätte die Reform des Abstammungsrechts mittlerweile beschlossen sein können. Das Kind hätte von Anfang an auch rechtlich zwei Elternteile gehabt. Mutter und Mutter. Dingelbe ist ein Dorf in der Nähe von Hildesheim, keine tausend Einwohner, es gehört zur Gemeinde Schellerten. Dort leben Gesa Teichert-Akkermann und Verena Akkermann, die eine Volkskundlerin und Gleichstellungsfachfrau, die andere Gymnasialdirektorin, die eine 44, die andere 46. Verena Akkermann ist in Delmenhorst, Gesa Teichert-Akkermann ist in Celle aufgewachsen. Sie haben sich beim Studium in Marburg kennengelernt, sind seit 23 Jahren ein Paar, seit sieben Jahren mit eingetragener Lebenspartnerschaft. Und sie erwarten ein Kind. „Diskriminierendes Faktum“: Dieses Kind aber wird nach derzeitiger Rechtslage mit nur einem Elternteil geboren. Gesa Teichert-Akkermann wird Mutter. Verena Akkermann wird es (erst mal) nicht. Die Noch-nicht-Mutter gießt Ostfriesentee in die Tassen auf dem Esstisch im Wohnzimmer und sagt: „Das ist ein diskriminierendes Faktum.“ Bei einem heterosexuellen Ehepaar werden bei der Geburt eines Kindes automatisch Mutter und Vater als Eltern registriert. Sind die Eltern nicht verheiratet, kann der Mann die Vaterschaft anerkennen, ein kurzer Amtsakt, fertig. Seit es die Ehe für alle gibt, sollte man meinen, eine solche Regelung gelte analog auch für homosexuelle Paare. Aber das Abstammungsrecht wurde der neuen Rechtslage nicht angepasst. „Die Ehe für alle ist keine Ehe für alle“, sagt Verena Akkermann, und in ihrer Stimme schwingt etwas mit, das man als verhaltenen Zorn auf die ewige Ausgrenzung interpretieren könnte: Dass es immer noch Teile der Gesellschaft gibt, die Lesben und Schwule als irgendwie anders, als nicht normal ansehen, dass sich das immer noch in Benachteiligung niederschlägt. Und dass es ermüdend lange dauert, bis solche Normen sich ändern. „Die Gesellschaft“, sagt Gesa Teichert-Akkermann, „reagiert nicht auf die gesellschaftliche Wirklichkeit.“ Adoption? „Demütigend“: Konkret heißt das für Verena Akkermann, dass ihr derzeit nur die Möglichkeit bleibt, ihre Tochter – es wird ein Mädchen – nach der Geburt per Stiefkindadoption als juristisch eigenes Kind anzunehmen, ein langwieriges Verfahren, bei dem auch, anders als bei leiblichen Eltern, behördlicherseits ihre Eignung zur Mutterschaft überprüft wird (als wüsste eine Behörde, wie eine Mutter zu sein hat). Verena Akkermann empfindet das als „Demütigung“. Der Kinderwunsch war nicht von Anfang an da. „Damals, in den Achtzigern, beim Coming out, war klar: Wenn man lesbisch war, bekam man keine Kinder“, erzählt Verena Akkermann. Gesa Teichert-Akkermann aber dachte durchaus an Nachwuchs. Und als sich mit den Jahren herausstellte, dass es Möglichkeiten gäbe, haben die beiden erst noch ein bisschen an der beruflichen Stabilisierung gearbeitet und sich dann dem Thema Kind zugewandt. Es war nicht einfach. Sie haben es mit Spermaspenden versucht, das hat nicht richtig geklappt, drei Fehlgeburten mussten sie überstehen. „Es war sehr belastend“, sagt Gesa Teichert-Akkermann, und sie lächelt dabei ein leises, schiefes Lächeln, aus dem man herauslesen kann, dass der Begriff „sehr belastend“ sehr untertrieben ist. Schließlich, kurz vorm Aufgeben, sprach der Arzt von der Möglichkeit einer Embryospende. Das haben sie dann versucht. Und diesmal hat es funktioniert. Am 13. Februar wird das Akkermann-Mädchen per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Reform lässt auf sich warten: Der Kaiserschnitt ist notwendig. Gesa Teichert-Akkermann leidet seit vielen Jahren an einer Krankheit, die Turner-Kieser-Syndrom heißt, der Fachbegriff lautet Osteoonychodysplasie. In sehr vielen ihrer Gelenke stecken Arthrosen. Sie hat noch eine milde Variante erwischt, trotzdem sehr schmerzhaft, und sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Krankheit ist nicht lebensbedrohlich. Aber eine Geburt kann lebensbedrohlich sein, und gesetzt den Fall, Gesa Teichert-Akkermann würde dabei oder im näheren zeitlichen Umfeld etwas zustoßen, dann wäre das Kind der beiden Frauen Vollwaise. Verena Akkermann würde juristisch keine Rolle spielen. Eine Reform des Abstammungsrechts, das auch einer lesbischen Mit-Mutter oder einem schwulen Mit-Vater die gleichen Rechte wie leiblichen Hetero-Eltern einräumen würde, war durchaus im Fokus der früheren Bundesjustizministerin Katarina Barley. Aber dann verabschiedete sie sich im Sommer nach Straßburg. Und bei der neuen Justizministerin Christine Lambrecht, vermuten die Akkermann-Frauen, genieße das Thema keine Priorität. Klage ist eingereicht: Tatsächlich heißt es aus dem Berliner Ministerium, man werte immer noch die Stellungnahmen zu dem „Diskussionsteilentwurf“ vom März letzten Jahres aus, dann müsse alles eingearbeitet und innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden. Einen Zeitplan gebe es nicht. „Das verschimmelt da“, sagt Verena Akkermann. Gesa Teichert-Akkermann und Verena Akkermann haben sich entschieden, nicht zu warten und sich auch nicht mit einer Stiefkindadoption abzufinden. Sie haben dem Standesbeamten der Gemeinde Schellerten, Michael Stuke, eine formale Anerkennung der Mit-Mutterschaft – also etwas, das es bisher nicht gibt – durch Verena Akkermann auf den Tisch gelegt und um Beurkundung gebeten. Stuke musste das mangels Rechtsgrundlage ablehnen, „leider“, wie er sagt. Die Frauen haben Widerspruch eingelegt, auch der wurde notwendigerweise zurückgewiesen. Und nun haben sie Klage vor dem Amtsgericht Hildesheim erhoben. Sie erwarten nicht, dass dabei was rauskommt – außer dass sie danach das Bundesverfassungsgericht anrufen können. Notfalls wollen sie bis zum Europäischen Gerichtshof gehen für die Mit-Mutterschaft. Gesa Teichert-Akkermann ist optimistisch: „Wir werden Recht bekommen.“ Im Alltag, im Job, im Dorf sehen sich die beiden Frauen nicht mehr als diskriminiert an. Manchmal bräuchten die Leute ein bisschen, sagt Gesa Teichert-Akkermann, aber dann sei ihr Lesbischsein akzeptiert. Nur der Staat hinke mit seinem „patriarchalischen Modell“ hinterher. Das wollen sie ändern. Sie wollen, dass ihr Kind in einer Welt aufwächst, in der jede und jeder ohne Benachteiligung so leben kann, wie er oder sie möchte. Es ist Zufall, dass gleichzeitig zwei lesbische Paare – und auch noch beide aus dem Kreis Hildesheim – an die Öffentlichkeit treten: Außer Gesa Teichert-Akkermann und Verena Akkermann machen jetzt auch zwei lesbische Pastorinnen von sich reden. Mit einem Youtube-Kanal geben sie ungewöhnliche Einblicke in ihren Alltag in der evangelischen Kirche. Ellen und Stefanie Radtke (35 und 34) sind miteinander verheiratet und leben in dem Dorf Eime bei Hildesheim. Was sie dort erleben, zeigen sie künftig auf dem Kanal „Anders Amen“. „Wir wollen eine Online-Gemeinde für alle sein, denn die evangelische Kirche braucht definitiv mehr Glitzer in ihren Türmen“, sagte Stefanie Radtke. In den Beiträgen geht es etwa um den Kinderwunsch der beiden, um das Leben im Dorf oder um ihre Arbeit als Seelsorgerinnen. Geplant sind Studio-Talks, bei denen die beiden über Gott und die Welt oder über ihr Outing sprechen. In Video-Tagebüchern wollen sie zeigen, wie homosexuelles Leben in der Kirche und auf dem Land gelingen kann. Die Beiträge, die vom Evangelischen Kirchenfunk produziert werden, erscheinen künftig jeden Mittwoch um 19 Uhr bei Youtube, zu erreichen über die Internetseite www.andersamen.de. epd Von Bert Strebe

Kreis Hildesheim - Mutter und Mutter: Lesbisches Paar kämpft um Anerkennung als Eltern