Telefonzelle als Schutzhütte: Firma setzt wegen Corona Empfangsdame ein

„Corona zwingt einen dazu, neue Wege zu gehen“, sagt Fridtjof Nissen, Inhaber des Stockelsdorfer Traditionsunternehmens Schinken Nissen in Schleswig-Holstein. Zu diesen Neuerungen gehört ab sofort eine gelbe Telefonzelle unmittelbar am Eingang zum Geschäft. Falls der eine oder andere gleich beim Anblick des kleinen gelben Häuschens in Erinnerungen schwelgt – mit Nostalgie hat die jüngste Anschaffung von Fridtjof Nissen rein gar nichts zu tun. Und mit dem Telefonieren im Übrigen auch nicht, denn ein Telefon sucht man in dieser Telefonzelle vergeblich. Dennoch wird diese Telefonzelle rege genutzt – wahrscheinlich viel intensiver als zu Hoch-Zeiten der Telefonzelle vor 30 Jahren. Denn immer dann, wenn das Geschäft von Schinken Nissen geöffnet ist, tauscht Nissens Mitarbeiterin Kirsten Wulff ihren Arbeitsplatz im Gebäude gegen die Telefonzelle. Von hier aus begrüßt Kirsten Wulff die Kunden und lenkt dabei gleichsam den Kundenstrom seit Beginn der Corona-Pandemie im März. Maximal 20 Kunden dürfen gleichzeitig ins Geschäft: „Maximal 20 Kunden dürfen nur noch zeitgleich im Geschäft sein“, erklärt Fridtjof Nissen, „das gehört zu unserem Hygienekonzept in der Corona-Pandemie.“ Und um das zu gewährleisten, regelt Kirsten Wulff seit über einem halbe Jahr sozusagen den Kundenverkehr vor dem Laden für das Nissen-Geschäft. Dabei muss Kirsten Wulff immer den Überblick behalten, wie viele Kunden gerade im Geschäft sind, wie viele wieder herauskommen und wie viele dementsprechend neu reingelassen werden dürfen. „Da kommt es dann schon mal häufiger vor, dass die Kunden draußen ein bisschen warten müssen“, sagt Nissen, „und insofern ist unsere Mitarbeiterin Kirsten Wulff tatsächlich auch so etwas wie unsere Empfangsdame für unsere Kunden, ein bisschen so wie eine Empfangsdame im Theater.“ Man komme ja schließlich auch mit den Kunden ins Gespräch, so Kirsten Wulff, die diesen sehr speziellen Job gern macht, wie sie betont. Über die Sommermonate war der Kundenempfang unter freiem Himmel aus wettertechnischer Sicht kein Problem. „Aber wie soll das in der kalten Jahreszeit gehen?“, hatte sich Fridtjof Nissen schon vor geraumer Zeit gefragt, „denn Corona ist noch lange nicht vorbei und damit auch nicht die strengen Hygiene-Maßnahmen.“ Also musste ein kleines Dach über den Kopf her für Kisten Wulff. Da kam Nissen der Einfall mit der Telefonzelle. Es sei gar nicht so einfach gewesen, so eine Zelle aufzutreiben, sagt Nissen. Schließlich sei er bei ebay fündig geworden und hat eine ausrangierte Telefonzelle gekauft, die jahrelang in einem Privatgarten in Bayern gestanden hat. Bei Regen werden Schirme an wartende Kunden ausgeliehen: Per Spedition hat Nissen das Häuschen nach Stockelsdorf bringen lassen, komplett gereinigt und von hiesigen Handwerkern ausstatten lassen mit einer Sitzbank, einem klappbaren Fenster und Fußbodenheizung. Zur Ausstattung gehört noch ein halbes Dutzend Regenschirme in der Farbe Rot, die neben der Farbe Weiß zu den Firmenfarben von Schinken Nissen gehört. Wenn es mal regnet und Kunden, die draußen warten müssen, keinen Schirm dabei haben, dann geht Kirsten Wulff raus und leiht einen der roten Schirme. „Wir lassen unsere Kunden nicht im Regen stehen“, betont Fridtjof Nissen, „wir kümmern uns darum, dass alles läuft.“ Und dazu gehört zur Zeit auch die Telefonzelle. Aber was passiert mit der Zelle, wenn die Pandemie vorbei ist und Kirsten Wulff nicht mehr aufpassen muss, ob schon 20 Kunden im Geschäft sind? Auch da hat Fridtjof Nissen schon einen Plan: „Dann wird die Telefonzelle umgebaut zu einer Reifekammer für Steaks.“ Von Doreen Dankert