Hannover: Website Adel-Watch will Adelsfamilien auf die Finger schauen

Ein schwarzes Gemäuer vor grauem Grund. Schloss Marienburg sieht in der Grafik auf dieser Internetseite so düster aus, als wäre es die Gartenlaube von Graf Dracula persönlich. Das soll auch so sein, denn die neue Website www.adel-watch.de setzt sich kritisch mit der Rolle der Aristokratie auseinander. Initiiert hat das Projekt der grüne Landtagsabgeordnete Stefan Wenzel. „Der Adel hat zwar 1918 seine politische Macht verloren, nicht aber seine wirtschaftliche“, sagt Wenzel mit dem Unterton aufrichtigen Bedauerns. Seine Website soll Beiträge sammeln, die Licht in die vermeintlich dunklen Machenschaften der Blaublüter bringen. „Die Nachfahren des Hohenzollern-Kaisers fordern heute Wohnrechte in alten Schlössern. Die Nachfahren des hannoverschen Königs fordern finanzielle Zuschüsse von Land und Bund für den alten Familiensitz“, moniert Wenzel. „Sind diese Nachfahren wirklich so verarmt oder liegt das Geld heute in Steueroasen wie Liechtenstein, Jersey oder auf den Virgin Islands?“ Wie reich sind die Welfen? Bereits im Streit um die Marienburg hatte Wenzel sich als scharfer Kritiker des Plans profiliert, das alte Welfenschloss an die öffentliche Hand zu übertragen. Inzwischen ist das Schloss in eine Stiftung überführt, Bund und Land wollen die Sanierung mit je 13 Millionen Euro finanzieren. „Es ist fraglich, ob das ausreicht“, fürchtet Wenzel. Er wüsste gern, wie reich die Welfen wirklich sind: „Harte Zahlen bekommt man nicht heraus.“ Wenzels Website soll da helfen, Informationen zu sammeln. Der frühere Umweltminister erhofft sich auch „erhellende Beiträge“ über die Rolle des Adels beim aktuellen Erstarken rechtsextremer Strömungen. Ein paar adelskritische Zitate hat er schon mal herausgesucht – von Schiller („An der Krone funkeln die Perlen nur und freilich nicht die Wunden, mit denen sie errungen ward“) bis zu antisemitischen Tiraden, mit denen sich Kaiser Wilhelm II. einst selbst diskreditierte. In aristokratischen Kreisen ist man not amused angesichts der Website: „Wir befürchten, dass damit eine ganze Bevölkerungsgruppe kollektiv an den Pranger gestellt wird“, sagt Wolfgang von Strotha, Vorsitzender der Vereinigung des Adels in Niedersachsen. Will Wenzel allen Blaublütern an den Kragen? Zeigt sich da nicht gerade in einer obsessiven Beschäftigung mit der einstigen Obrigkeit ein neidischer Untertanengeist, der „denen da oben“ endlich mal eins auswischen will? „Es liegt mir fern, alle in einen Topf zu werfen“, beteuert Wenzel, „es geht darum, dass dieser Teil der Geschichte stärker wahrgenommen wird.“ So thematisiert die Website auch NS-Verstrickungen adeliger Familien. Bis heute halten diese ihre Archive dazu teils verschlossen. Eine rühmliche Ausnahme sei der junge Erbprinz Ernst August von Hannover, der die entsprechenden Akten der Forschung zugänglich gemacht hat. „Das war ein Schritt nach vorn“, sagt Wenzel. „Andere sollten dem Beispiel folgen.“ Von Simon Benne