Teatr-dach-Chef: „Kunst ist unverzichtbar!“

Kleinkunst auf einem winzigen Dachboden in Corona-Zeiten? Undenkbar. Und so herrschte auch an der Adresse für feinsinnige und humorvolle Auftritte in diesem Jahr statt dem üblichen dichten Gedränge gähnende Leere. Der Betrieb im Meerdorfer teatr dach stand still. Die Kleinkunstbühne ist in diesem Jahr 30 Jahre alt geworden, die Jubiläumsfeier musste auf das kommende Jahr verschoben werden. Intendant Albrecht „Ali“ Schultze spricht in der Interview-Reihe „Auf einen Glühwein mit...“ über Fake-News, seine zweite Heimat Griechenland und Kultur in der Corona-Krise. Herr Schultze, normalerweise wird unter Ihrem Dach viel gelacht. Aber jetzt ist das teatr dach seit geraumer Zeit wegen Corona geschlossen. Bleibt einem das Lachen da im Halse stecken? Im Grunde ja, wenn ich an die Künstler denke, die sich auf ihren Auftritt bei uns gefreut hatten und die ihren Lebensunterhalt davon bestreiten, ist mir nicht zum Lachen zumute. Auch wir waren natürlich sehr enttäuscht, als im März der erste Lockdown kam, da wir mehr als ein Jahr lang für unsere fünfte neue Produktion „Rebellion im Altenheim“ intensiv recherchiert, getextet und geprobt hatten – inklusive Tanz- und Gesangseinlagen, denn wir standen am 27. März kurz vor der Premiere. Haben in diesem Jahr überhaupt Künstler im teatr dach auftreten können? Glücklicherweise ja, im Januar konnten die fantastische Liza Kos mit ihrem Kabarettabend ebenso wie der geniale Beethoven-Pianist Marc Pierre Toth und die Magdeburger Zwickmühle auftreten. Gott sei dank hatte sich niemand von den Zuschauern der Zwickmühle im ausverkauften Alten Landhaus infiziert, obwohl zu dem Zeitpunkt das Virus schon grassierte. Was bedeutet das in finanzieller Hinsicht für Sie? In erster Linie bedauere ich natürlich die Künstler, die abhängig von den Einnahmen sind. Aber auch das fehlende Feedback durch das Publikum hinterlässt mit Sicherheit seelische Wunden. Für unser Hausensemble kann ich nur ein Gott sei dank anfügen, wir sind nicht von den Einnahmen abhängig wie andere freischaffende Künstler, weil wir alle unsere Einnahmen aus unseren beruflichen Jobs beziehen. Eine große Unterstützung und gute Basis bietet auch unser gemeinnütziger Verein, der uns Sicherheit auch für zukünftige Aktivitäten schafft. Und nicht zu vergessen auch die Braunschweigischen Stiftungen, die Sparkasse Peine, die Gemeinde Wendeburg, der Ortsrat Meerdorf und einige Meerdorfer Firmen und Bürger. Ein großes Dankeschön! Corona-Sketch und Jubiläumsfeier: Womit haben Sie sich in der Zwischenzeit beschäftigt? Nun, zum einen hatten wir ja einen Corona Sketch inszeniert und ins Netz gestellt, frei nach Loriot unter https://youtu.be/msXW4Eo6NWk und Mitglieder unseres Ensembles haben Hauskonzerte an Alten- und Behindertenheimen in der Region mit schönem Erfolg durchgeführt unter https://youtu.be/AS0mJcl8Dr8. Zum anderen kontaktierten wir unsere Zuschauer, um uns für deren Geduld und den reichlichen Zuspruch herzlich zu bedanken. 99,9 Prozent aller haben ihre gebuchten Eintrittskarten behalten wollen und nicht auf Rückerstattung bestanden! Tausend Dank dafür. Zudem waren wir im Gespräch mit den Künstlern, die in diesem Jahr nicht mehr auftreten konnten, mit der Bitte, ihre Auftritte um ein Jahr zu verschieben und um mit ihnen die Ausgestaltung unserer Jubiläumsfeier „30 Jahre teatr dach“ neu zu planen, in der Hoffnung, dass der August 2021 doch zu realisieren sein wird. Sehen Sie die Kultur in diesen Corona-Zeiten in Gefahr? Aber selbstverständlich! In großer Gefahr sogar! Schon wirtschaftlich gesehen ist der Kultur- und Kreativsektor eine bedeutende Branche. Doch erst recht für unsere Demokratie ist die Schließung von Theatern, Kinos und anderen Kulturorten auf Dauer schwer zu verkraften. Kunst ist nicht nur wohltuende Zerstreuung und Ablenkung sondern ein Lichtblick im Lockdown, auch weil sie die häusliche Isolation für viele Menschen erträglicher macht. Kunst ist unverzichtbar in der Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen des Menschseins – auch und gerade in Zeiten, in denen Gewissheiten brüchig werden und gesellschaftliche Fundamente sich als fragil erweisen. Griechenland ist eine zweite Heimat für Sie, Jahr für Jahr verbringen Sie dort längere Zeit. War das in diesem Corona-Jahr überhaupt möglich? Seit Jahren planen wir unsere Aufenthalte in Griechenland zu den Zeiten, wo im teatr dach keine Veranstaltungen geplant sind. So wäre das auch in diesem Jahr gewesen. Also machten wir uns im September auf den Weg mit dem Ziel, im November wieder zurück zu sein, um den Probenbetrieb erneut aufzunehmen. Aus bekannten Gründen war das nicht möglich, sodass wir uns entschieden, hierzubleiben. Aber auch hier ist der Lockdown gegenwärtig. So haben wir die Muße, uns intensiver mit der griechischen Sprache, Tradition und Kultur zu beschäftigen. Ganz zu schweigen auch von intensiven Spaziergängen am Meer und in den umliegenden Bergen. Griechen sind trotz Corona gastfreundlich: Wie haben Sie die Zeit dort erlebt? Trotz der Corona Einschränkungen ist die Gastfreundschaft der Griechen uneingeschränkt geblieben, auch wenn keine Restaurant- oder gegenseitige Hausbesuche möglich waren. In Erinnerung wird uns die von uns veranstaltete wunderschöne „Kulturnacht“ im hiesigen Amphitheater auf dem Peleponnes bleiben, wo mit genügend Abstand und bei schönstem Wetter Alt und Jung zusammenkamen, um doch noch ein bisschen Kunst zu schnuppern. Glühwein oder Lumumba? Lumumba oder Glüh-Wein beides schmeckt mir richtig fein Crêpes oder Schmalzkuchen? Seien es Crêpes oder Schmalzkuchen beides lässt sich lecker buchen Bratwurst oder Eintopf? Eintopf oder Bratwürste lieber als ’ne Drahtbürste Worüber haben Sie in diesem Jahr herzhaft lachen müssen? Über die permanenten Fake-News von US-Präsident Donald Trump (Desinfektionsmittel gegen Corona) und noch herzhafter über sein endliches Scheitern. Worauf können sich unsere Leser denn im kommenden Jahr im tear dach freuen? Besonders auf das Open-Air-Jubiläum Ende August anlässlich unseres 30-jährigen Bestehens! Unter anderem wieder mit den beliebten „Herzen in Terzen“ und einem faszinierenden Mentalkünstler, der Gedanken lesen kann. Aber das kann alles auch auf unserer Homepage www.teatr-dach.de nachgelesen werden. Und natürlich können sich alle auf unser neues Stück freuen und mit uns gemeinsam im Altenheim rebellieren! Lesen Sie auch Peiner Aktivistin (16) mahnt: Für die Klimakrise gibt's keinen Impfstoff Peine: Interview mit Kulturring-Geschäftsführerin Bettina Wilts Peiner Seniorenheim-Leiterin: Alle Pflegekräfte sollten mehr verdienen Von Mirja Polreich