Waldgaststätte Odinshain: Wie ein Adenstedter das Dorfgasthaus rettete

Wie gut, dass es die Donnerstagsrunde gibt. Donnerstags sitzt Michael Dietrich für gewöhnlich mit ein paar Freunden im Odinshain und gönnt sich ein Feierabendgetränk. So auch an jenem Sommerabend, der für das Adenstedter Waldgasthaus zum Schicksalsmoment werden sollte. Dietrich bekam mit, wie Wirt Michael Hartwig einem anderen Gast erklärte, in wenigen Jahren werde er den Odinshain aufgeben. „Wieso das denn?“, fragte der 56-Jährige und erfuhr, dass Hartwigs Pachtvertrag ausläuft und nicht klar sei, was die Besitzer der Gaststätte danach vorhaben. Michael Dietrich, selbst Adenstedter Urgewächs und bekannt für sein zupackendes Wesen, überlegte höchstens Sekunden, bevor er Hartwig fragte: „Und wenn ich es kaufe?“ Bürger will Bestandteil des Dorflebens erhalten: Was dann folgte, ist nicht weniger als die Rettung des Dorfgasthauses durch einen Bürger, der nicht zulassen wollte, dass sein Heimatort diesen so wesentlichen Bestandteil seines Dorflebens verliert. In Michael Dietrichs unaufgeregter Schilderung klingt das Ganze so simpel, als habe er höchstens ein paar Brötchen gekauft: „Ich bin dann direkt zum Besitzer gegangen, der hier oben wohnt, hab geklingelt und gefragt, ob er mir das Gasthaus verkauft“, sagt er und deutet auf das Obergeschoss des Gebäudes. Der Bewohner Stefan Winkler, dessen Familie der Odinshain gehörte, willigte umgehend ein, und der Deal war perfekt. Eng mit Ort und Bewohnern verwoben: Tatsächlich ist es aber auch genau so einfach, wie es klingt, und zwar nicht, weil Dietrich ein steinreicher Mäzen wäre, der seinem Dorf ein Geschenk machen wollte. Geboren („auf dem Sofa im Wohnzimmer!“) in Adenstedt, dort aufgewachsen mit fünf Geschwistern und einem bruderähnlichen engsten Freund, ist der VW-Angestellte eng mit dem Ort und seinen Bewohnern verwoben. Dass der Treffpunkt am Waldrand verschwinden sollte, mochte er nicht hinnehmen. Hinzu kommt, dass er schon vor längerer Zeit begonnen hat, gemeinsam mit seinen Geschwistern das eine oder andere Haus zu bauen. Handwerklich sind sie alle versiert, können mauern, Dächer decken und vieles mehr. Mit Bordmitteln gegen den Sanierungsstau: Der Sanierungsstau im Odinshain beeindruckt ihn also nicht sonderlich, den werden sie weitgehend mit Bordmitteln abbauen können – denn nicht nur die Familienmitglieder, sondern auch einige andere Dorfbewohner werden kräftig mit anpacken. „Dadurch lässt sich das Projekt so rechnen, dass es für Michael Hartwig und für mich funktioniert“, sagt Dietrich. Und der Wirt ergänzt: „Handwerker bekommt man derzeit ja ohnehin so gut wie gar nicht, da ist so eine Lösung natürlich die beste überhaupt.“ Bis auf die Tage vom 1. bis 8. Januar wird der Betrieb im Odinshain weiterlaufen, die Renovierungs- und Sanierungsarbeiten finden an den Ruhetagen und im Hintergrund statt. Viele Dinge wie etwa die Arbeiten am Rohrsystem werden die Gäste ohnehin nicht bemerken. Ein anderes Zeichen der Veränderung ist bereits sichtbar geworden: In der Gaststube wurde die Rigipswand zum einstigen Kaminzimmer wieder entfernt, im neu entstandenen rustikal eingerichteten Raum kann nun am offenen Feuer gespeist werden. Auch für außen ist allerhand Neues geplant: Wenn die wärmere Jahreszeit kommt, ist auch für den Außenbereich allerhand Neues geplant. Bis hin zu einem Küchengarten, den Hartwig einrichten und beispielsweise für Veranstaltungen mit Kindern nutzen will. Adenstedt wird seinen Treffpunkt also behalten – und auch die Donnerstagsrunde muss sich kein neues Zuhause suchen: Einer der Teilnehmer hat künftig Hausrecht ... Die Waldgaststätte Odinshain wurde am 24. April 1894 eröffnet und ist damit mehr als 125 Jahre alt. Sie wurde auf dem damals neu angelegten Festplatz in einem Waldstück errichtet und gehörte zu einem Ensemble, das sogar mit einer sonst aus Kurorten bekannten Schallhalle ausgestattet war. Die Gaststätte wurde laufend ausgebaut, es entstanden Grotten, Nischen, eine Tanzdiele; alles war mit Petroleumlampen ausgeleuchtet. Sonntags gab es Musik und Gesang, zu Pfingsten spielten Tanz- und Militärkapellen. 1936 baute man im Westteil eine Gästehalle mit Duschräumen für den Sportbetrieb an. Der Zweite Weltkrieg beendete die Veranstaltungen, nach 1945 wurden die Räume von Vertriebenen bewohnt. 1965 baute Familie Winkler den „Odinshain“ schließlich neu. Seither befindet sich das Gasthaus in ihrem Besitz. Von Stefanie Gollasch

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