Frühgeburt: Janine Koster aus Groß-Lafferde spricht über dramatische Stunden

Die ersten sechs Monate war es eine Traum-Schwangerschaft. Janine Koster (25) hatte keine Übelkeit, konnte trotz Babybauch zum Zumba-Training gehen und bei ihrer Sommerhochzeit bis tief in die Nacht tanzen. In der 29. Schwangerschaftswoche stand wieder eine Routineuntersuchung an – so wie alle vier Wochen. Das Baby entwickelte sich prächtig, Kosters Bauch wuchs und wuchs. „Auf einmal wurde meine Frauenärztin ganz still und nach einer kurzen Pause sagte sie: Sie müssen ins Krankenhaus. Jetzt. Sofort!“ Der Gebärmutterhals der Schwangeren war verkürzt. „Ich wusste nicht mal, was das bedeutet!“ Die Ärztin erklärte es ihr: Das bedeutete, das Baby kommt – in der 29. Schwangerschaftswoche. Doch erst ab der 35. Woche sind alle Organe des Fötus ausgereift. „Ich war in Schockstarre. Mir liefen die Tränen runter, ohne dass ich es merkte. Ich hatte Angst. Angst, dass mein Kind stirbt.“ Berufs- und Bewegungsverbot im sechsten Monat: Das Krankenhaus schickte die junge Frau wieder nach Hause – für ihre Gynäkologin unverständlich. Sie sprach der schwangeren Telekom-Disponentin ein Berufsverbot aus, sie durfte sich kaum noch bewegen. Es funktionierte: Der Gebärmutterhals normalisierte sich wieder, bei den nächsten zwei Untersuchungen gab es Entwarnung. Dann kam die 31. Schwangerschaftswoche. Wieder Alarm: „Ihr Gebärmutterhals ist wieder verkürzt. Sie müssen ins Krankenhaus.“ Koster kam an den Tropf, bekam intravenös einen Wehenhemmer. Und es gab eine Spritze Lungenreife – die beschleunigt die Lungenreifung des Ungeborenen. Damit es überlebensfähig ist, wenn es zu früh zur Welt kommen sollte. „Mir ging es so schlecht von dem Kortison vom Wehenhemmer. Mir war heiß, ich hab geschwitzt, ich durfte mich nicht bewegen“, erinnert sich die 25-Jährige. In der 34. Woche kamen die Wehen: Dann normalisierte sich wieder alles. Eine Achterbahn der Gefühle. Es ging wieder genau zwei Wochen gut. Bis zu jenem Tag, als Koster mit ihrer Mutter die Babymesse auf der Infa in Hannover besuchte. „Ich war schon in einem schlechten Zustand. Ich hatte starke Wassereinlagerungen, musste mich nach gefühlt jedem Schritt hinsetzen.“ Abends bekam sie starke Bauchkrämpfe. „Mein Mann sagte irgendwann: Sag mal Janine, könnten das nicht Wehen sein?“, erinnert sie sich. „Auf die Idee wäre ich nicht gekommen!“ Doch tatsächlich: Sie stoppten die Zeit, die Krämpfe kamen alle sieben Minuten. Dann kamen starke Blutungen hinzu. Schnell ins Krankenhaus. Doch niemand wusste, woher die Blutungen kommen. Eine zweite Spritze Lungenreife, wieder an den Wehenhemmer-Tropf. Die Ansage der Ärzte: „Bewegen Sie sich nicht mehr und halten Sie noch irgendwie fünf Tage durch. Dann ist das Baby ausgereift.“ Eine Nacht später werden die Schmerzen unerträglich, die Blutungen immer stärker. „Ich habe mich aber nicht getraut, eine Krankenschwester zu rufen.“ Herztöne weg, Notkaiserschnitt: Bis vier Uhr morgens harrte die 25-Jährige aus. Als die Schwester kam, brachte sie die Schwangere direkt in den Kreißsaal, dort platzte schon die Fruchtblase. Auf dem Wehenschreiber waren keine Herztöne des Babys mehr zu sehen. Not-Kaiserschnitt! „Eine traumatische Erfahrung“, so Koster. „Mein letzter Gedanke vor der Narkose war: Wer von uns beiden überlebt das jetzt?“ Beide überlebten. Karl kam zur Welt, musste auf der Intensivstation des Hildesheimer Klinikums im Brutkasten ausreifen, angeschlossen an Schläuche. „Ich sah ihn zwölf Stunden nach der Geburt das erste Mal, ich wurde im Rollstuhl zu ihm gefahren. Ich durfte ihn nicht mal anfassen“, sagt Koster. „Es war alles surreal, auch die Zeit danach. Wir saßen nach meiner Entlassung abends auf der Couch und das Einzige, was anders war: Mein Bauch war weg und ein Babyfoto stand auf dem Tisch.“ Oft weinten sie und ihr Mann André Koster (35) zusammen, zu belastend war die Situation: die Vorstellung, dass sie jetzt ein Baby haben, das nicht bei ihnen ist, sondern alleine auf der Intensivstation liegt. Doch zwei Wochen später durfte der kleine Karl nach Hause nach Groß-Lafferde kommen – und der Albtraum hatte endlich ein Ende. „Doch es hat gedauert, bis ich wirklich verstanden habe, dass mein Baby schon da ist und ich Mutter geworden bin“, so Koster. „Ich war ja nicht mal bei Bewusstsein, als er gekommen ist. Und die ersten zwei Wochen war er auch nicht bei mir.“ Karl ist ein gesundes Baby: Heute ist Karl schon acht Monate alt, ein kräftiger Wonneproppen. Koster liebt ihn über alles. Gemeinsam mit ihrem Mann, den Hunden Luna und Pearl und dem kleinen Karl lebt die 25-Jährige nun ihr Traumleben. „Karl war ein absolutes Wunschkind und er ist so ein freundliches Baby!“ Dann hört sie plötzlich auf zu reden. „Oh, tut mir leid, ich habe den Faden verloren, als ich Karl angeschaut habe.“ Koster glaubt: „Über Fehlgeburten und Frühgeburten spricht kaum jemand. Das muss sich ändern“ – sie will den Anfagn machen. Im Podcast „Echte Mamas“ erzählte sie Isabel Moss (34) ihre Geschichte. „Hätte ich Zugang zu Erfahrungen anderer gehabt, hätte ich mich nicht so allein gefühlt. Und ich wäre vielleicht besser drauf vorbereitet gewesen, dass so etwas passieren kann – und wie ich mich dann verhalten soll.“ Welche Botschaft der jungen Mutter besonders wichtig ist: Jede Geburt und jede Mama ist gleich viel wert. Egal, ob das Kind natürlich, per Plan-Kaiserschnitt oder per Notkaiserschnitt gekommen ist. Am Ende zählt die Liebe – und das Überleben. Lesen Sie auch: Elternzeit: Wie Sie nach der Pause wieder wie gewohnt durchstarten Ex-“GNTM”-Kandidatin Marie Nasemann über Geburt ihres Kindes: “Hat richtig Spaß gemacht” Klinikum Fulda: “Jüngstes Frühchen der Welt” wohlauf Von Josina Kelz/Neue Presse

Podcast „Echte Mamas“ - 25-Jährige aus Groß-Lafferde spricht offen über ihre dramatische Frühgeburt