Messer-Angriff in Rethmar: Gericht spricht Angeklagten frei

Wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hat sich jetzt ein 27-Jähriger vor dem Landgericht Hildesheim verantworten müssen. Er soll den Ex-Partner seiner Lebensgefährtin in Rethmar mit einem Messer attackiert haben. Der dritte Prozesstag endete mit einem Freispruch für den Angeklagten: Es lagen offenbar nicht genug Beweise vor. Der 27-Jährige soll am 13. Februar 2018 gegen 23.20 Uhr in der Wohnung seiner Lebensgefährtin in Rethmar mit deren früherem Partner (28), der zu Besuch gekommen war, in Streit geraten sein. Die 33-jährige Frau soll im Verlauf des Streits den Besucher aus der Wohnung geworfen haben. Anschließend soll der Angeklagte dem Mann unbemerkt gefolgt zu sein. Streit soll eskaliert sein: Nachdem er ihm von hinten an die Schulter gegriffen und der 28-Jährige sich umgedreht habe, soll der zu dem Zeitpunkt alkoholisierte Angeklagte (1,29 Promille) dem Opfer mindestens dreimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben, sodass der 28-Jährige zu Boden ging. Anschließend habe der Angeklagte ein Messer hervorgeholt und viermal in Richtung des Hals- und Kopfbereiches des noch am Boden Liegenden gestochen. Der 28-Jährige habe die Stiche durch das Vorhalten seines Unterarms ablenken können, wodurch er Schnittverletzungen erlitten haben soll. Das Opfer habe es dann geschafft, aufzustehen und wegzulaufen. Zwar soll der Angeklagte versucht haben, ihm zu folgen, dies habe er jedoch abgebrochen, als eine Frau aus einem Nachbarhaus gekommen sei. Der Angeklagte, der sich selbst eine kleine Schnittwunde zugezogen hatte, soll anschließend über einen Anwohner die Polizei verständigt haben. Der Prozess am Landgericht wurde mit weiteren Zeugenanhörungen fortgesetzt. Zwei Polizisten hatten die Tat vor Ort in Rethmar aufgenommen. Sie bestätigten die widersprüchlichen und oftmals wechselnden Angaben der Tatbeteiligten sowie der Ex-Partnerin zum Tathergang. Das vermeintliche Opfer wirkte aggressiv und wurde von den Beamten mit Handschellen gefesselt. „Situation wirkte gestellt“: Die Beamten konnten trotz intensiver Suche kein Messer im weiteren Tatumfeld finden. Selbst der genaue Tatort konnte nicht sicher herausgearbeitet werden. So blieb es offen, ob die Tat im Flur der Wohnung oder draußen passiert war. Ein Fazit der Polizei war: „Die vorgefundene Situation wirkte gestellt.“ In seinem Plädoyer hob der Oberstaatsanwalt die ungewöhnliche Situation mit den zwei Verletzten und der gegensätzlichen Darstellung durch die Tatbeteiligten hervor. Er fragte: „Welche Beschreibung stimmt? Stimmt überhaupt eine der Versionen?“ Die Angaben des Opfers sollen eher zutreffen und die festgestellten Spuren passen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft besser zusammen. Es gebe keine Zeugen und es seien mehrere Tatvarianten möglich. Als Strafmaß hielt der Oberstaatsanwalt für den Angeklagten eine Haftstrafe vier Jahren und sechs Monaten für angemessen. Verteidiger forderte Freispruch: Das sah der Verteidiger anders: Es gebe viele Spekulationen und Vermutungen zum Tatverlauf. Jedoch würden die Beweise gegen seinen Mandanten fehlen, somit könnten die Einzelheiten zum Tatverlauf nicht geklärt werden. „Wie es wirklich gewesen ist, das wissen wir einfach nicht“, sagte der Verteidiger und forderte einen Freispruch für den Angeklagten. Das Gericht schloss sich nach eingehender Beratung der Forderung des Verteidigers an und gab den Freispruch für den 27-Jährigen bekannt. „Wir haben in diesem Fall keine sicheren Feststellungen. Bei fast allen Möglichkeiten bleiben Zweifel übrig“, begründete der Vorsitzende Richter das Urteil. Von Eckhard Bruns

Aus Mangel an Beweisen - Nach Messer-Angriff in Rethmar: Gericht spricht Angeklagten frei