Als die Amerikaner nach Hohenhameln kamen

Der Einmarsch der Amerikaner am 9. April 1945 in den Dörfern der heutigen Gemeinde Hohenhameln hat sich tief ins Gedächtnis der Menschen eingebrannt. Der Oberstleutnant a. D. und gebürtige Hohenhamelner Karl-Heinz Heineke hat sich intensiv mit den Ereignissen am Ende des Krieges beschäftigt und viele historische Details zusammengetragen. Unter anderem hat er die Umstände der Gefangennahme eines deutschen Soldaten recherchiert, den die Ankunft der Amerikaner überrascht hatte. „Oberleutnant Kurt Meier war Ende des Krieges in der Lazarettabteilung Sültekloster in Hildesheim in ambulanter Behandlung“, erzählt Heineke. Nach der Zerstörung von Hildesheim am 22. März 1945 hätten Meier und seine Frau Grete, geborene Hansen aus Schwicheldt, eine Bleibe über der Molkerei in Hohenhameln gefunden. Kurz zuvor hatten sie geheiratet, am 9. April wollten sie ihr Hochzeitsgeschenk bei Werner Fautsch in dessen Apotheke an der Clauener Straße abholen, wo die Ehefrau beschäftigt war. Um 14.30 Uhr kamen sie dort an – im selben Moment, als die ersten Amerikaner in Hohenhameln eintrafen. Den Ehemann, der seine Uniform trug, nahmen sie gleich mit. Landser wurden aufgegriffen: „Man hat ihm sein Koppel abgerissen und ihn auf die Motorhaube des vordersten Jeeps gesetzt“, weiß Heineke. Meier war nicht der einzige, der auf solche Weise in Gefangenschaft geriet. Mehrere einzelne Landser wurden aufgegriffen und auf die Fahrzeuge verteilt. Langsam sei es weiter in Richtung Stedum-Bekum gegangen – so langsam, dass es Meiers Frau noch gelang, den Mantel ihres Mannes zu holen und ihm zu reichen. Kurz vor Hofschwicheldt in der Nähe des damaligen Gasthauses „Zum Deutschen Kaiser“ wurde der Tross von einem Jagdpanther aus beschossen, der sich unter dem Schleppdach der Ziegelei in Schwicheldt verborgen hatte. „Die deutschen Soldaten mussten von den Fahrzeugen und mit erhobenen Händen an der Außenwand einer an der Straße gelegenen Scheune Aufstellung nehmen. Die Amerikaner gingen in Stellung“, berichtet Heineke. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, brachte man die Gefangenen am Abend nach Bekum in die Scheune von Fritz Wittenberg. Am nächsten Morgen ging es über mehrere Stationen ins Gefangenenlager nach Attichy in Frankreich. Meier kam kurz danach ins Lazarett und wurde Anfang Juli 1945 entlassen. Waffen mussten abgegeben werden: In der Chronik von Harber berichtet Friedrich Friehe: „Im April, nach Durchzug der feindlichen Panzer, ordnete die amerikanische Militärpolizei die Ablieferung sämtlicher Waffen an. Um die alten, teils verrosteten Trommelrevolver, Gewehre und Pistolen aus dem Ersten Weltkrieg war es nicht schade, sie hatten nur Schrottwert“, heißt es da. Geschmerzt habe allerdings die Abgabe der gut erhaltenen Jagdflinten, Drillinge und Pistolen der Jäger, denn „sie stellten ein Vermögen dar“. Heineke berichtet, dass in Hohenhameln an der Clauener Straße viele Häuser beschlagnahmt wurden. Die US-Kommandantur befand sich in der Villa des Arztes Otto Wittenberg. Gegenüber, angelehnt an die Gaststätte Zur Post, lag die US-Feldküche. „Das Essen wurde im Saal der Gaststätte ausgeteilt“, sagt der alte Herr. Auf dem Hof Lüders hatten die Amerikaner in einer Scheune eine Werkbank für Instandsetzungsarbeiten errichtet, die bis heute dort steht. Lesen Sie auch: Weiße Fahnen auf den Kirchtürmen und schwarz geschlachtete Tiere in Hohenhameln Plünderungen waren an der Tagesordnung: Plünderungen durch die deutsche Bevölkerung waren an der Tagesordnung, denn zu kaufen gab es kaum etwas. In der Ziegelei im etwa zehn Kilometer entfernten Ummeln zum Beispiel waren große Mengen Alkohol und Manufakturwaren aus den durch Fliegerangriffen bedrohten Städten ausgelagert. Dies Lager wurde – vermutlich am 8. April – mithilfe von Fahrrädern und sogar Gespannen ausgeräumt. Was niemand wusste: Die Amerikaner lagen bereits am nahe gelegenen Stichkanal und beobachteten das Treiben. Als der Gemüsehändler Karl Gieseke mit seinem mit Kisten beladenen Lastwagen, einem Opel Blitz, davonfuhr, wurde er beschossen. Er kam ums Leben, ebenso wie Ferdinand Kratel, der mitfuhr. Mehr Glück hatte Heinekes Großvater Heinrich, der ebenfalls dabei war. Er konnte sich gerade noch in den Graben retten. Raum war überall extrem knapp, und die Menschen waren erfinderisch. So wurde der Splittergraben an der Ecke Klapperberg/Im Unteren Dorfe von mehreren Familien als Kellerersatz genutzt. Als er entfernt werden sollte, gab es heftigen Widerstand. Mit Erfolg: Er befindet sich noch heute dort. Kleidung aus Sackleinen, Obst aus Nachbars Garten und das erste Kaugummi: Die Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren eine besondere Zeit. Aber auch eine Zeit, über die es kaum Aufzeichnungen gibt, von Fotos ganz zu schweigen. Darum wollen wir die Erinnerungen, die die Menschen im Peiner Land an den Sommer nach dem Krieg noch haben, sammeln und bitten Sie, unsere Leserinnen und Leser, um Beiträge. Haben Sie die Zeit nach April 1945 als Kind oder gar Jugendlicher miterlebt und erinnern sich an die Lebensumstände, den Alltag, besondere Ereignisse? Haben Sie möglicherweise sogar Fotos aus jenen Tagen, die zeigen, wie es sich damals in Peine oder einer der Kreisgemeinden lebte? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff „Sommer nach dem Krieg“ an redaktion@paz-online.de. Schildern Sie uns Ihre Geschichte, und wenn Sie Fotos haben, scannen Sie sie bitte ein oder fotografieren sie digital ab – wir bitten Sie herzlich, uns keine Originale per Post zu schicken, da wir nicht die Verantwortung für so wichtige persönliche Schätze übernehmen wollen. Aus Ihren Erlebnissen werden wir weitere Beiträge für die gedruckte PAZ und für unser Digitalangebot unter paz-online.de anfertigen. Und damit das Bild der Monate vor 75 Jahren weiter abrunden – damit auch diejenigen vom Sommer nach dem Krieg erfahren, die diese Zeit voller Entbehrungen, aber auch voll lange vermisster Freiheit nicht selbst miterlebt haben. Von Kerstin Wosnitza