Wolf im Kreis Peine: Pferdebesitzerin informiert über Gefahren

Vom „Grauen des ’Grauen’“ ist zu lesen, davon ihn „abzuknallen“. Ein paar Klicks weiter Fotos von Schafen mit aufgerissenen Bäuchen und verbluteten Rehen. Auf der anderen Seite: „Lasst ihn leben“, „Er hat eine Daseinsberechtigung.“ Die Rede ist vom Wolf. Taucht er auf, spaltet er die Lager. Vor allem, aber nicht nur in den sozialen Medien. Die jüngste Wolfssichtung liegt knapp eine Woche zurück. Das Tier wurde am Ortseingang von Edemissen gesichtet, und lief auch an der Weide von Wiebke Wendorff vorbei. Unterdessen sind in Niedersachsen fünf Wölfe zum Abschuss freigegeben worden – darunter offenbar für zwei Tiere aus Burgdorf, die auch im Landkreis Peine unterwegs sind. Wolfsangriffe auf Pferde: Wie hoch ist das Risiko? Die Pferdehalterin ist um eine sachliche Diskussion zum Thema bemüht. Vor knapp sechs Jahren schrieb sie unter dem Titel „Pferd und Wolf, Alte Bekannte – neue Gefahr?“ eine Broschüre. Damals wie heute, sagt die 39-Jährige, sei das Thema unter Pferdehaltern von großem Interesse. Als Besitzerin zweier Pferde, die ganzjährig Tag und Nacht auf der Weide stehen, kann sie die Sorgen nachvollziehen. „Das ist ja auch berechtigt, es geht mir genauso“, sagt Wendorff, „auf der anderen Seite muss aber auch beachtet werden, dass das Risiko für Pferde gering ist.“ Lesen Sie auch Emotionale Debatte nach Wolfsrissen im Peiner Landkreis Lüder Richter: „Wölfe sind genauso gefährlich wie andere Wildtiere“ Uetze: Tierhalter vertreiben vier jagende Wölfe mit Fahrzeugen Nach Wolfsangriff bei Dollbergen: Hengstfohlen Murphy ist wieder gesund DNA-Test bestätigt: Pferd in Rietze von Wolf gerissen Eine wolfssicherer Weidezaun ist notwendig: Und dabei spricht sie auch aus eigener Erfahrung und aus Rückmeldungen mit Jägern: „An meiner Weide laufen in einem großen Bogen häufiger zwei Wölfe vorbei. Zuletzt sind sie im Dezember gesichtet worden“, sagt Wendorff. In Panik geraten seien ihre Pferde dabei nicht. Im letzten Sommer sicherte die Pferdehalterin ihren Weidezaun zusätzlich ab: Mit insgesamt sechs Strom-Litzen, 7000 Volt und einer Zaun-Höhe von 1,40 Meter – gefördert vom Land. Sie appelliert an Tierhalter einen wolfssicheren Zaun zu bauen: „Alles andere halte ich für fahrlässig.“ Die Broschüre „Wolf und Pferd – Alte Bekannte oder neue Gefahr? Eine fachliche und ethische Bestandsaufnahme zur Situation in Deutschland“ ist im September 2015 im Evipo Verlag erschienen. Zu Wort kommt unter anderem das Niedersächsische Umweltministerium, das Kontaktbüro der „Wolfsregion Lausitz“, die Landesjägerschaft Niedersachsen sowie das Tierschutzzentrum der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Weiterhin sind Beiträge von Wolfsexpertin Tanja Askani, der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland, des Wolfcenters Dörverden sowie des Deutschen Bauernverbandes und des Bundesverbandes der Berufsschäfer enthalten. Beim Thema Wolf: Viele Anfeindungen im Netz: Wendorff weiß, dass sie mit ihrer Ansicht auch Kritiker auf den Plan ruft. „Ob der Wolf ein Risiko ist, sollte jeder für sich selbst entscheiden, aber dafür braucht man auf sachlicher Ebene Informationen – statt reißerischer Überschriften und persönlicher Anfeindungen im Netz“, sagt die Pferdehalterin, die für ihre Aufklärung viele positive Rückmeldungen, aber genauso auch Angriffe in Internet-Foren erfahren hat. Auch deshalb stellte sie ihre Vorträge zum Thema „Pferd und Wolf“ ein. Doch einen freilaufenden Wolf mit eigenen Augen zu sehen, brachte sie zum Nachdenken: „Das war ein aufregendes Erlebnis. Ich überlege, mich wieder zu engagieren. Womöglich mit Vorträgen in Schulen und Kindergärten, um dort mit Vorurteilen über den Wolf aufzuräumen.“ Die Weide von Wiebke Wendorff umfasst vier Hektar. Das entspricht einer Zaunlänge von etwa einem Kilometer. Drei Strom-Litzen waren bereits am Zaun gespannt, drei weitere Litzen hat Wenddorff nachträglich über eine Länge von drei Kilometern gezogen. Die Kosten dafür beliefen sich auf 450 Euro. Notwendig war ein stärkeres Weidezaungerät für rund 120 Euro, welches bis zu 10 000 Volt und fünf Joule an den Zaun abgibt. Insgesamt beliefen sich die Kosten auf 570 Euro, davon übernimmt die Landwirtschaftskammer 500 Euro, sobald der Antrag bearbeitet ist, teilt Wendorff mit. Auf die Pferdebesitzerin fiel ein Eigenanteil in Höhe von 70 Euro, wobei auch ein höherer Förderbetrag möglich gewesen wäre, so die Tierhalterin. Die Landwirtschaftskammer teilt zur Förderung mit: Bei Pferden wird ein Hektar eingezäunte Fläche pro Großvieheinheit gefördert. Ein Großpferd entspricht einer Großvieheinheit und Ponys und Kleinpferde werden mit 0,7 Großvieheinheiten berechnet. Pro Fläche ist ein Tor förderfähig. Zum Beispiel kann ein Pferdehalter, der drei Warmblüter hält, maximal das Material für drei Hektar Einzäunung beantragen. Gefördert wird die Anschaffung des Zaunmaterials. Den Aufbau muss selbst erbracht werden, eventuelle Personalkosten dafür sind nicht förderfähig. Wendorff möchte die Risiken in der Wolfs-Diskussion nicht klein reden, sondern ins Verhältnis setzen: „Wölfe haben bei uns keinen Nahrungsmangel. Und der Anstieg der Wolfspopulation bedeutet nicht, dass mehr Nutztiere angegriffen werden. Denn, die Beutepopulation bestimme die Beutegreiferpopulation. Das bedeutet: Die Wölfe ziehen ab oder erweitern ihre Revier.“ Vorausgesetzt: „Die Weidetiere sind geschützt.“ Grundlage für die Errichtung eines Herdenschutzzaunes beziehungsweise dessen Bewilligung ist die „Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen und Zuwendungen zur Minderung oder Vermeidung von durch den Wolf verursachten wirtschaftlichen Belastungen in Niedersachsen“. Laut der Landwirtschaftskammer Niedersachsen muss mindestens einer dieser Kriterien erfüllt sein: Erstes: Die Fläche liegt in einer Gebietskulisse nach Vorgabe des Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Zweitens: In mindestens drei Fällen wurden innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten vor Antragstellung in einem Radius von 30 Kilometern um die betreffende Fläche ein amtlich bestätigter Pferdeverlust durch den Wolf festgestellt. Im Kreis Peine gab es im letzten Herbst einen Vorfall in der Gemeinde Edemissen auf einer Weide bei Rietze. Eine Tinkerstute hatte so schwere Verletzungen erlitten, dass sie eingeschläfert werden musste. Die weiteren Vorfälle der letzten zwölf Monate waren in Uetze und in Immensen bei Lehrte. Somit liegt der Kreis Peine nun in diesem Umkreis, wie die Landwirtschaftskammer mitteilt. Eine Karte, um den Umkreis zu ermitteln, ist auf umweltkarten-niedersachsen.de zu finden. Dort lässt sich unter der Rubrik “Messen“ der Radius bestimmen. Drittens: Für den einzelnen Betrieb wurde ein Wolfsübergriff amtlich festgestellt. Die Bezirksstelle Braunschweig der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bietet Webseminare zum Thema „Wolfsabweisende Einzäunung - was kann ich tun?“ an. Der nächste Termin ist am 24. Februar, von 16.30 bis 18 Uhr. Anmeldungen bei martina.diehl@lwk-niedersachsen.de. Die Teilnahme ist kostenlos. Jagd auf den Wolf: „Gute Gründe sprechen dagegen“: Und den Wolf bejagen? „Nein“, sagt die Pferdebesitzerin, „den Wolf zu bejagen ist ein Bärendienst.“ Es gebe gute Gründe dagegen: „Welcher Wolf geschossen wird, lässt sich nicht steuern. Und das wiederum kann Folgen für Landwirte und Tierhalter haben.“ Gemeint ist, dass Altwölfe abgeschossen werden, die ihrem Nachwuchs die Jagd auf Wildtiere beibringen. „Und welches Jagdverhalten sich die Jungwölfe dann ohne ihre Elterntiere aneignen ist ungewiss.“ Von Nina Schacht