Edemissen 1945: Die Einwohnerzahl explodiert

Flüchtlinge aus Oberschlesien, Ostpreußen und Pommern, aber auch viele Bürger aus den zerbombten umliegenden Städten suchten in der Peiner Nordkreis-Ortschaft eine Unterkunft. Sie kamen in Abstellkammern oder Ställen unter. Edemissens früherer Ortsheimatpfleger Karl Zeinert hat die schwere Zeit des Neubeginns detailliert in seiner „Edemisser Geschichte“ festgehalten. Bauern bewachten ihr weniges Hab und Gut: Bauernhöfe prägten das Ortsbild. 99 Bauern, 31 Handwerker, fünf Kaufleute und acht Beamte wurden 1941 gezählt. Es wurden Kartoffeln, Rüben und Getreide angebaut, Schweine, Hühner und Kühe gehalten. Und es reichte trotzdem nicht für alle. „Es gab Kinder, die konnten sich nur Senf aufs Brot schmieren“, weiß auch Zeitzeuge Otto Homann. Landwirte wurden aber auch zur Zwangsabgabe zum Beispiel von Kartoffeln für Flüchtlinge verpflichtet. Der ehemalige Ortsheimatpfleger Karl Zeinert berichtet davon, dass Landwirte in der Sommer- und Erntezeit nachts Wache hielten, um ihr Vieh und ihre Ländereien vor Diebstählen zu schützen. Es gab Plünderungen von Zucker, Mehl und Stoffen in der Edemisser Molkerei oder im Lager der Gaststätte Ahrens. Der Tauschhandel blühte. Wenig Technik, viel körperliche Arbeit: Für Flüchtlinge und Kriegsrückkehrer ergaben sich auf den Bauernhöfen jedoch auch Arbeitsmöglichkeiten. Es wurde dringend Personal gebraucht, da die Kriegsgefangenen in ihre Heimatländer zurückkehrten. Die Arbeit war jedoch schwer, da kaum technisches Gerät als Hilfe zur Verfügung stand. „Unser Kramer-Schlepper mit 20 PS zum Beispiel wurde beim von den Amerikanern gelegten Brand in unserer Scheune beschädigt. Wir konnten ihn erst ein paar Jahre später reparieren lassen – für zwei Koffer voll mit Lebensmitteln wie Schinken“, erzählt Zeitzeuge Otto Homann. Die Ernte fiel in den Nachkriegsjahren allerdings häufig dünn aus. „Es gab so gut wie keinen Dünger mehr“, erläutert Zeitzeuge Rudolf Kemmer. Arbeitsplätze entstanden: Arbeit fanden Edemisser Neubürger aber auch in der Preussag Erdöl- und Bohrverwaltung in Berkhöpen oder Dedenhausen. „In kürzester Zeit stieg dort nach dem Krieg die Belegschaft auf über 300 Arbeiter und Angestellte“, berichtete Ex-Heimatpfleger Zeinert. Dort sei nicht nur ein geregelter Lohn gesichert gewesen, auch Bergmannszuteilungen, Mittagessen und Arbeitskleidung hätten den Alltag erleichtert. Andere wagten es in der Not, sich selbstständig zu machen. Die Gewerbeanmeldungen stiegen in Edemissen sprunghaft an. Wilhelm Krause gründete zum Beispiel eine Sattlerei, Heinrich Schmidt eröffnete seine KFZ-Werkstatt wieder, andere probierten es mit Eis- und Flaschenbier-Verkauf. Mit Freude reagierten die Edemisser zudem auf die Nachricht, dass sie einen Arzt bekommen. Dr. Friedrich Haaßengier zog aus Bergen nach Edemissen und eröffnete im September 1945 seine Praxis für Allgemeinmedizin. Die Briten kommen: Nach ein paar Monaten lösten auch in Edemissen die Briten die amerikanischen Besatzer ab. Als Hauptquartier diente weiterhin die Volksschule. Zudem wurde das Wohnhaus der Familie Zlatnik als Kommandantur beschlagnahmt. Mit den Besatzern kamen die meisten Edemisser gut aus. „Die waren in Ordnung“, sagt zum Beispiel Zeitzeuge Otto Homann und erinnert sich noch daran, wie er einmal mit einer gefärbten früheren Soldatenmütze zur Dachdeckerei Zlatnik fuhr und die Soldaten interessiert seine Kopfbedeckung begutachteten. Lesen Sie mehr: Als die Amerikaner mit „einer endlosen Kolonne“ in Vöhrum einzoge n Ortsheimatpfleger: „Mir fehlen oftmals die Fakten“ Vor 75 Jahren in Peine: „Wir waren frei, die Straße gehörte uns“ Peine nach dem Krieg: Das öffentliche Leben stand still „Sommer nach dem Krieg“: Die große PAZ-Serie Von Christian Meyer

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