Mit Gipfel-Wein und Platten: Rentner radeln 1010 Kilometer in 12 Tagen

Donau, Main, Fulda und Weser statt Schwarzes Meer: Die Corona-Krise hat dem Eddesser Norbert Seidel (65) und seinem guten Edemisser Freund Harro Hein (69) zwar ihr geplantes XXL-Rad-Abenteuer bis ins Donau-Delta nach Rumänien zerschlagen, doch die beiden entdeckten zufrieden: Manchmal liegen die Abenteuer auch vor der Haustür. Sie wandelte ihre geplante 2300-Kilometer-Herkules-Tour kurzerhand in eine 1010-Kilometer-Deutschland-Durchquerung um. „Die Gastronomie in Bayern war hocherfreut, endlich mal wieder Gäste haben zu dürfen. Wir waren mit die Ersten, die die Tourismusbranche wieder angekurbelt haben“, stellte Harro Hein fest. Ein Auto? Das hat der Fahrrad-Begeisterte Eddesser Norbert Seidel schon seit 27 Jahren nicht mehr. Harro Hein fährt immerhin auch schon seit elf Jahren nur noch auf zwei Rädern. Und das sieht man den Rentnern an: Drahtig und schlank sind sie, und deshalb war auch ihr neues Rad-Abenteuer kein Problem. Die 1010 Kilometer rissen sie in nur zwölf Tagen ab, fuhren im Schnitt also täglich 84 Kilometer – mit Muskel- und nicht mit Elektro-Antrieb. Froh waren die Rentner, dass sie ihr Zelt und die Luftmatratze doch zu Hause lassen konnten und Übernachtungen in Pensionen und Hotels in allen vier Bundesländern, die sie durchquerten, möglich waren. „Vielleicht im Regen auf- und abbauen, auf dem Boden liegen – so ein Zelt hat schon Nachteile, das muss ich nicht mehr haben“, sagt Norbert Seidel und verweist auch auf das Zusatzgewicht am Rad. Zwei große und zwei kleine Packtaschen hatte er ohnehin schon angebracht. Viel Platz in Bayerns Biergärten: Mit dem Zug waren die Freunde bis nach Passau gefahren, wo ihre Tour startete. Unterkünfte fanden sie unterwegs trotz der Corona-Krise fast immer problemlos. „Alle Wirte waren sehr bemüht, die Corona-Bestimmungen einzuhalten“, stellt Harro Hein fest. Frühstück wurde zum Beispiel auch als Lunch-Paket mitgegeben. In bayrischen Biergärten staunten die beiden Nordkreisler dann aber doch: „Die sind eigentlich immer brechend voll, doch egal, wo wir waren, es war kaum etwas los.“ Das Bier schmeckte trotzdem, unter anderem in der ältesten Klosterbrauerei der Welt, im Kloster Weltenburg. Hauptsächlich an den Wasserstraßen Donau, Main-Donau-Kanal, Main, Wern, Sinn, Fulda und Weser radelten die beiden ihrer Heimat entgegen. „Auf dem Main-Donau-Kanal haben wir nur sieben Schiffe an zwei Tagen gesehen – für so ein gigantisches Bau-Projekt fand ich das sehr wenig“, bemerkte Norbert Seidel. Ordentlich ins Schwitzen kamen sie in den Höhenzügen Spessart, Rhön und Ith, insgesamt 3500 Höhenmeter überwanden sie. Und bei der Königsetappe gönnten sie sich erstmal einen „Gipfel-Wein“ aus Zahnputzbecher und Flasche. „Die Rhön-Überquerung hatte es in sich, da ging es 527 Meter hoch mit 14 Prozent Steigung. Ich musste mehrmals schieben. Ich hasse zwar Höhenmeter, aber es war auch das Highlight unserer Tour, es gab einen sagenhaften Blick“, berichtet Hein. Rad-Urlaube können sie nur empfehlen. Es sei faszinierend, wie man vom Rad aus die Umgebung wahrnimmt. „Man kann die Zeit selbst bestimmen und sieht Orte, an die man sonst nicht hinkommt“, sagt Hein. Doppeltes Pech beim Plattfuß: Ärgerlich seien nur zwei Dinge gewesen: Die Schikanen für Radfahrer in Rotenburg. „Die Stadtväter wollen wohl keine Radler in der Stadt, die Geld ausgeben“, moniert Hein. Und: Nach 72 000 pannenfreien Kilometern auf seinem Rad in den vergangenen sechs Jahren fuhr der Edemisser sich einen Platten. Doppeltes Pech: Der Ersatzschlauch war ebenfalls undicht. Und so wechselte Hein im Flur eines Fürther Radgeschäfts selbst einen neu gekauften Schlauch. „Ich hatte keine Lust, eine Stunde zu warten, weil die Werkstatt gut zu tun hatte“, erläutert er. Im Vergleich zum letzten Jahr hielt sich Heins Pech aber in Grenzen. Bei der 2000-Kilometer-Tour durch Polen hatte sich der 69-Jährige das Handgelenk gebrochen. Ins Donau-Delta wird Norbert Seidel in diesem Jahr übrigens trotzdem noch kommen. „Ich war so gefrustet wegen der geplatzten Radtour dahin, dass ich kurzerhand eine Fluss-Kreuzfahrt ins Donau-Delta gebucht habe.“ Im Herbst geht es unter Corona-Schutzbedingungen los, mit Fiebermessen und Blut-Abgabe. Lesen Sie auch Zwei Edemisser Rentner radeln über 2000 Kilometer durch Polen Viele Edemisser traurig: Ihr „Italiener“ schließt Edemissen: Redecke-Areal bekommt mehr Wohnungen als geplant Von Christian Meyer

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